Pressetext: Reinsehlen

14. Oktober – 16. Dezember 2007
Malte Urbschat & Mark Wehrmann

Die Hamburger Künstler Malte Urbschat und Mark Wehrmann wurden gebeten, sich mit dem „Camp Reinsehlen“ nördlich von Schneverdingen zu beschäftigen. Das renaturierte Militärgelände ist Thema des Landschaftskunstpreises NEULAND 2007 der Stiftung Niedersachsen.

Anders als die Wettbewerbsteilnehmer Studio Bürgi (Carmorino, CH), Gelitin (Wien),GTL Landschaftsarchitekten (Kassel), Inges Idee (Berlin), Jeppe Hein (Kopenhagen) und Latitude Nord (Paris), von denen konkret umsetzbare Vor­schläge im Ein­klang mit der Natur und den topografischen Gegebenheiten des Camp Reinsehlen erwartet werden, konnten sich Mark Wehrmann und Malte Urbschat bei ihren Geländeerkundungen vom „genius loci“ treiben lassen und frei innerhalb ihres eigenen künstlerischen Kosmos as­soziieren. Davon ausge­hend haben sie unabhängig voneinander ihre Ausstellung für den Springhornhof entwickelt.

Die Fotomontagen von Mark Wehrmann (*1970 in Stadthagen) tauchen das ehemalige Militärcamp in ein postapokalyptisches Szenario. Der Künstler inszeniert sich mit Hilfe von uniformähnlicher Kleidung und in pseudo-militärischen Posen auf dem Gelände. Ohne konkrete zeitliche Einordnung wird auf die Weltuntergangsphantasien der Ära des kalten Krieges angespielt, aus einer Geländeuntersuchung entwickelt sich eine Sciencefiction über verseuchte Gebiete und den letzten Menschen in lebensfeindlicher Umgebung.

Das schwarze Stoffobjekt im Zentrum des Raumes diente am Eröffnungsabend als Kostüm für eine „Death Metal Performance“ des Künstlers, unterstützt von seinem Kollegen Malte Struck am Gesang. Teile der Jugendkultur, Genrefilme und auch Computerspiele entwickeln ihren Reiz aus der Zerstörung unserer kulturellen Matrix, die bedrohlich aber auch lustvoll erlebt wird. Zum ersten Mal wird dies sehr eindrucksvoll in dem 1898 erschienenen Roman „Krieg der Welten“ von H.G. Wells vorgeführt. Das Motiv taucht auch in Arno Schmidts Novelle „Schwarze Spiegel auf“, der Protagonist durchstreift hier die durch einen Nuklearkrieg entvölkerte norddeutsche Landschaft.

Malte Urbschat (*1972 in Kellinghusen) greift in seinen Collagen und modellhaft wirkenden Installationen auf eigene Erkundungen während eines Aufenthalts im Camp Reinsehlen zurück. Als Notizmaterial bei seinen Streifzügen dienten ihm Fotos und Videos, die er anschließend in seinen Arrangements verwendet. Darüber hinaus versammelt er historische Abbildungen und ein Zitat aus einem Internetforum britischer Veteranen. Weitere Aspekte sind Gerüchte, Hörensagen und Spekulationen über das Gelände. In einem Video erinnert sich eine junge Frau lückenhaft an die Erzählung eines Taxifahrers über die Tarnung des Reinsehlener Flugfeldes im 2. Weltkrieg. Angeblich hat man Pappkühe aufgestellt, um das Gelände als Weidefläche zu tarnen. Urbschats künstlerische Sprache speist sich aus all diesen Bruchstücken. Er schafft daraus eine leicht und spielerisch anmutende Rauminstallation, in der sich verschiedene Perspektiven und Verweise auf den Ort Reinsehlen und seine Historie überlagern.

Gefördert durch Land Niedersachsen und EU-Gemeinschaftsinitiative Leader+