Susanne Paesler: Pressetext

Susanne Paesler
8. September – 20. Oktober 2002

Abstrakte Malerei hat im Springhornhof seit den sechziger Jahren Tradition. Mit Susanne Paesler wird nun eine aktuelle Position vorgestellt, die sich das Ausdrucksrepertoire des Informel, des Abstrakten Expressionismus und der Op Art aneignet, austestet und es in die Gegenwart transformiert.

Die Authentizität der spontanen malerischen Geste, lange ein wichti-ges Kriterium für ab-strakte Malerei, wird bei Paesler zum in sich stimmigen Bild einer solchen Geste. Daneben gibt es Arbeiten, in denen sie karierte Stoffmuster mit Lackfarbe auf Aluminium überträgt, oder den modischen Retro-Look von CD-Hüllen erzeugt. Bis vor kurzem hob stets ein gemalter Rahmen als äußerer Abschluss der Fläche die Bildmuster aus Kunst und Alltag als solche hervor.

„Doch Paeslers Arbeiten allein auf Re-Use Aspekte von Kunst zu reduzieren würde der Arbeit nicht gerecht. Viel komplexer erscheint der Moment des zum Klischee werdens von Bildern, den die Malerin aufgreift. Indem sie „freischwebende“ Bilder als sowohl in einer Außenwelt zirkulierende, wie auch „unsere Innenwelten konstituierende“ Klischees erkennbar macht, stellt sie die generelle Frage einer „inneren und äußeren Herrschaft des Klischees“ (Deleuze) in den Vordergrund. Darüber hinaus stellt sich aber auch noch die viel wesentlicher Frage einer Möglichkeit von Malereiproduktion angesichts von historischen Positionen und deren derzeitigen Verwen-dungen. Im Fall der Bilder von Susanne Paesler wird dies mit dem Zustand eines konstanten Oszillierens zwischen historischer Reflexion und privatem Bildervorrat beantwortet, der als sehnsüchtige Geste gelesen werden kann.“ (Marc Glöde in: Blitz Review 576)

Die Arbeiten von Susanne Paesler waren bereits in zahlreichen Gruppenausstellungen, darunter „rosa für Jungs, hellblau für Mädchen“ (NGBK Berlin, 1999) und „Frankfurter Kreuz“ (Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2001), vertreten. Die Ausstellung im Springhornhof ist ihre erste Einzelausstellung in einem Kunstverein.

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Bei der Betrachtung der Malerei Susanne Paeslers schwingt oft ein unbestimmter Eindruck von Vertrautheit mit, ein irritierendes Gefühl des Déjà-vu. Man sieht durchs Bild hindurch zugleich auf Muster bestimmter Traditionslinien abstrakter Malerei. Paeslers Bildfindungen scheinen ein Paradigma verinnerlicht zu haben, wie um es in geglätteten und konzentrierten Oberflächen zu bündeln, zu umspielen und zu spiegeln.

Muster spielen in Paeslers Arbeit eine entscheidende Rolle. Sie fungieren als Anlass, als Vehikel ihrer Malerei, werden auf diese Weise aber auch zu deren Gegenstand. So betreibt Paesler einige Jahre lang das vermeintlich Anspruchsloseste: Sie malt Bilder mit karierten Mustern strikt nach Vorlage gekaufter Stoffe. Eine Praxis am Nullpunkt auktorialer Gestaltung, so scheint es, doch umso schärfer machen sich dann jene ästhetischen Codes darin ausdrücklich, die Geschmack und Bedeutung, das autonome Bild und die Gebrauchsschönheit gemeinhin voneinander trennen. In Rhythmus und Farbigkeit unterhalten von ihr ausgewählte Muster nicht selten eine gewisse Familienähnlichkeit zu Positionen abstrakter Malerei, und tatsächlich sind sie indirekt davon geprägt. Die schlagartige Inversion des Bildeindrucks im Augenblick des Erkennens rückt umso deutlicher die Malerei selbst ins Blickfeld: Die Übersetzung der Muster in dicht an der Oberfläche gehaltene Farbräume, die Vertauschung der Stofflichkeit des Ausgangsmaterials mit der Glätte von Lack und Öl, der flache Farbauftrag auf dünnem Aluminium. Hier macht Paesler ein sorgsam arrangiertes Zögern zwischen Eindruck und Erkennen, zwischen Bild und Muster zum Mittel, um ihre Malerei in Ambivalenz zu versetzen.

Diese Haltung prägt Paeslers Arbeit durchgehend und bis heute. In Bildern der letzten drei Jahre bezieht sie den Begriff des Musters auf klassische Positionen moderner Malerei, vorwiegend solche der 50er und 60er Jahre. Also jener Blütezeit, in der dem abstrakten Bild vielleicht zuletzt utopischer Gehalt und Ausdruckspotenzial zugesprochen, in der die Abstraktion als „Weltsprache“(1) gehandelt wurde. Paesler orientiert sich dabei nicht an einzelnen Werken oder Künstlern, sie interessiert das malerische Vokabular der Zeit als Träger eines bestimmten Gehalts. Doch während etwa Pollocks expressive Drippings heute oft nur noch wie Markenzeichen wahrgenommen werden, kehrt Paesler diesen Effekt des visuellen Trademarks um. In neueren Arbeiten, die mit progredierenden Kreisformen an Konkrete wie an Op-Art-Malerei anknüpfen, inszeniert sie – in Anlehnung an die traditionelle Gemäldesignatur – den eigenen Namen im rechten unteren Bildteil. In der typografischen Ausführung spielt der Schriftzug auf Label der Mode und des Designs an und verweist auf die Funktion eines Kunstwerks als Ware.

Paesler setzt Formen und Formeln abstrakter Positionen als rhetorische Figuren ein. Wenn sie mit seriellen Pattern, mit Mustern Konkreter Malerei arbeitet oder aufs gestische Repertoire der Brush Strokes, Drippings und Taches zurückgreift, erscheinen diese Wendungen wie im Dekor erstarrt. Bildelemente werden mehrdeutig angelegt: Pinselstriche wirken wie Pflanzen, ein Kreis erscheint als Mond, und die umgebenden abstrakten Elemente werden zum Eindruck einer romantischen Landschaft verfügt („moonshine paintings“). Man mag sich von diesen Bildern an die Abstraktion der 60er Jahre erinnert fühlen, doch Paesler zitiert nicht. Was in der Malerei einmal für Einzigartigkeit, für Expression stand, dem unterstellt sie sich wie einem Schema. Auf dem Wege eigener Bildfindung führt Paesler erneut die alten Gesten aus, und so kehren Expression und Einzigartigkeit in ihrer Malerei als Chiffren des Authentischen zurück. Es geht ihr beim Malen „…auch darum, die Geste nachzuvollziehen und nicht das Gleiche zu fühlen, darum, dass man nicht das Gleiche fühlen kann. Aber das geht nicht aus der Distanz heraus oder mit Zynismus. Das ist ein Moment, der mit Distanz und Emphase zu tun hat.“(2)
Jens Asthoff

(1) Vgl. etwa „Abstraktion als Weltsprache“, in: Laszlo Glozer (Hg.), Westkunst, Köln 1982, S.172 ff.
(2) Susanne Paesler, Interview in: „Bilder über Bilder“ [Kat.], NGBK, Berlin 2000, S.22.

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