Lucas Wahl — Kathmandu – city of kings

24. August – 10. Oktober 2010

Der angehende Fotojournalist Lucas Wahl, Gewinner des VGH-Fotopreises 2009, zeigt seine Bildreportage über das Leben der Nepalesen im einstigen Hippie-Mekka. Wahl gelingt es in seinen WErken, die unterschiedlichsten Facetten der Stadt einzufangen. Obwohl er den Blick auch auf die Brennpunkte Kathmandus legt, in dem er Armut, Überfüllung und Verschmutzung zeigt, gelingt es ihm den Charme und die Schönheit der Stadt un ihrer Bewohner zu transportieren. Die Bandbreite der eindrucksvollen Situationen wird durch das ungewöhnliche Panoramaformat der Aufnahmen noch verstärkt.

Ulu Braun — Fiebergärten

21. August – 10. Oktober 2010

Der Künstler Ulu Braun (*1976) gehört zu einer neuen Generation kritischer Romantiker, der existenzielle Themen intelligent mit den Mitteln moderner Ironie, Mystik und poetischer Überraschungseffekte umsetzt. Ein immer wiederkehrendes Thema seiner Filme und Collagen ist  die Anziehungs- und Abstoßungskraft  künstlicher Paradiese gleichermaßen.

Ulu Braun greift dafür auf vorgefundenes Material zurück, nutzt eigene Dokumentaraufnahmen, aber auch Bilder aus Fernsehsendungen und dem Internet. Aus diesen Vorlagen erstellt er einen Film, der ohne klassische Schnitte auskommt, sondern den Bildraum in einem langen Schwenk überblickt. Wie in futuristischen Gemälden stehen zeitlich nicht kohärente Elemente nebeneinander, die wie in dadaistischen Collagen auch in ihren Dimensionen nicht zueinander passen.  Dennoch rezipieren wir den langsamen Schwenk über die dargestellte Szenerie wie ein Landschaftsgemälde.

Sein jüngster Film, ATLANTIC GARDEN, der im Springhornhof Premiere haben wird, ist die Konstruktion einer Landschaft, welche unterschiedliche Aspekte von Traditionalismus und Globalisierung an einem Ort vereint. Ulu Braun zeigt uns eine idyllische Küstenregion in der die unterschiedlichsten Leute und Gruppierungen friedlich und im Einklang mit der Natur nebeneinander existieren. Tanzende Derwische, spirituelle Prediger, fröhliche Landkommunarden, beseelte Esoteriker, ökologisch motivierte Weltverbesserer und prachtvoll gewandete Akteure eines Mittelalterspektakels tummeln sich unter ewig blauem Himmel. Das Video verbindet Idyllen der westlichen Landschaftstradition und die Visionen diverser Heilsbringer zu einem Panorama, in dem das oft Gesehene poetisch wirkt und geheimnisvoll erscheint. In seiner Überhöhung und Potenzierung wird das gesellschaftliche Idyll zwiespältig. Es schleicht sich eine Ahnung von der Beschränktheit und dem unterschwelligen Machtansprüchen ein, mit der sich gesellschaftliche Utopien in ihr Gegenteil verkehren können.

Ulu Braun spielt inhaltlich und formal offen mit der Erzeugbarkeit von Landschaften einschließlich der vielen kleinen Geschichten, die sich darin abspielen. Damit reizt er nicht nur zu direkten Vergleichen einzelner Bildelemente mit bekannten Filmen oder Gemälden, sondern verarbeitet relativ respektlos auch gleich die allgemeine (kunst)historische Entdeckung der Landschaft als menschlicher Bezugspunkt durch Petrarca und Dürer, ihre Idealisierung durch Lorrain, die Feier ihrer sublimen Wirkung durch Friedrich, Goya und Turner, aber auch ihre surrealistische Überformung durch Dalí, Ernst und Tanguy. Möglich ist dies, weil es sich um eine künstliche, aber keine Phantasielandschaft handelt, die im Grunde nur aus dem immer verworrenen Nebeneinander von bewegten Bildern besteht, aus dem wir alltäglich in unserem Fernseh- oder Videokonsum via Internet ganz von alleine solche Landschaften zusammensetzen.

Bednarek/Brandes/Lindena/Müller — Nutz- und Ziergartenbau

6. Juni bis 15. August 2010

Dominik Bednarek / Hanna Brandes / Kalin Lindena / Alex Müller

…über den Nutz- und Ziergartenbau, über das Urnenfeld bei Brampton, das Anlegen künstlicher Hügel und Berge, die von den Propheten und heiligen Evangelisten erwähnten Pflanzen, die Insel Tinos, die altsächsische Sprache, die Antworten des delphischen Orakels, die von unserem Erlöser gegessenen Fische, die Gewohnheiten der Insekten, die Falknerei, einen Fall von Altersfreßsucht, die Erfindung der Zeit und das Zeitlose, über Clowns, Schiffsbauchlinien, die Interessen eines Hutmachers, das Verhalten von Stehaufmännchen, die Schönheit, Gesamtkunstwerke, Sachen tragen, siamesische Zwillinge, die Amore, Hände, die knoten und noch manch anderes mehr…

Die Künstlerin Kalin Lindena hat für die aktuelle Ausstellung im Kunstverein Springhornhof die Zusammenarbeit mit ihren Künstlerfreunden Hanna Brandes, Dominik Bednarek und Alex Müller gesucht, die mit ihr gemeinsam an der HfbK in Braunschweig studiert haben. Der schier endlos lange Titel deutet auf eine Ausstellung hin, die ihrem Wesen nach weitläufig und grenzenlos ist und deren Arbeiten eigentümliche und paradoxe Geschöpfe sind, die – konkret und abstrakt zugleich – sowohl spezifische, individuelle Gegenstände wie Teil eines Ganzen sind.

Eine Gemeinsamkeit der beteiligten Künstler ist dass sie die unterschiedlichsten Einflüsse aus Kunst und Alltag, Gegenwart und Kunstgeschichte in ihrer Kunst integrieren, verarbeiten und in eine neue Bildsprache überführen. Alle vier arbeiten auf die eine oder andere Weise mit Fundstücken, nutzen das Prinzip der Collage oder reagieren auf die vorgefundene Architektur.

So überlagert Kalin Lindena mit skulpturalen Interventionen Eigenes und Vorgefundenes indem sie Stützen und Unterzüge des Ausstellungsraumes mit vielen Lagen farbigen Seidenpapiers überzieht. Durch die Transparenz der Schichten erzielt sie eine malerische Wirkung, die eigenartige Widerspüche von Malerei und Bildträger produziert. Einige Partien wirken wie Rost oder verwittertes Holz, anderswo ergeben sich grafische Formationen, die sich nirgendwo in die Fläche entwickeln können, sondern um die Kanten der Pfosten herumgezogen werden.

Lindenas Werke sind geprägt durch ihre Offenheit und Prozesshaftigkeit und erreichen nie einen endgültigen Zustand. Ihre Wandarbeiten existieren häufig nur für die Dauer der jeweiligen Ausstellung, andererseits übernimmt Lindena Fragmente vorangegangener Ausstellungen in neue Zusammenhänge. So zum Beispiel die säulenartige Skulptur im oberen Ausstellungsraum, die an anderer Stelle unter einem Oberlichtfenster in den Himmel ragte. Hier, eingepasst unter dem Deckenbalken korrespondiert sie als Zwitterwesen von Skulptur und Säule – oder vielleicht sogar Wirbelsäule – mit den vorhandenen Holzbalken.

Die Giebelform des Daches findet sich wieder in der Form ihrer Skulptur aus Metall, buntem Glas und Spiegelflächen im selben Raum. Die Brechung des Lichts, die Transparenz des Glases, die Spiegelung der bunten Flächen sowie der Holzbalken des Raumes führen zu einem endlosen Vexierspiel.

Die Werke von Hanna Brandes scheinen kleine rätselhafte Geschichten zu erzählen. Etwa das ausgestopfte Rehkitz in seiner eigenartigen Travestie mit einer viel zu großen Clownsnase. Das hat etwas Groteskes, beinhaltet aber auch ein Moment von Strangulation. Stets beschleicht einem bei genauer Betrachtung von Brandes Objekten ein Gefühl leichten Ekels und Unbehagen. Ein heiteres Mondgesicht besteht aus einer schmutzigen Resopalplatte und ausgedrückter Zigarettenaschen. Ein kleiner Ball, entpuppt sich als Haarknäuel, ganz regelmässig geformt, mit einem Goldfaden, der sich durchs Haar zieht. Diese preziose Kugel erscheint als eine Art Verdichtung von Leben, Emotionen, menschlichem Dasein, Körperlichkeit, zwischenmenschlicher Beziehung. Sie ist poetisch und sehr persönlich, kann auch etwas abstinent wirken durch das sehr intime Material Menschenhaar: Es ist eine sehr kleine Skulptur, aber gleichzeitig eine sehr große Menge Haar, gepresst in eine vollendete geometrische Form.

Dominik Bednarek ist der Bootsbauer unter den vier Künstlern. Alle seine Arbeiten in dieser Ausstellung haben irgendetwas mit Schiffen oder der Seefahrt zu tun. Sei es als Kontur eines Schiffrumpfs aus Resten von Spanplatte, der wie ein Flügel aus der Wand des Ausstellungsraumes ragt; oder als Schiffsbug aus Pappe, der sich oberhalb der Treppe auf den Heraufkommenden zuschiebt. Es handelt sich um das Relikt einer Aktion des Künstlers, bei der er mit einem selbst gebauten Boot aus Pappe so lange über einen See gefahren ist, bis es durchweicht war und kenterte. Die Sammelstücke in einem Regal stammen aus den Jahren 1919 – 2010: gefundene und selbst gebaute Spielzeugschiffe aus Plastik oder Metall, Modelle von Schiffsrümpfen und Segelflugzeugen, ein Geduldsspiel von Matrosen usw.. Dominik Bednarek lehrt uns das kindliche Staunen über die skulpturale Schönheit von Schiffsbauchlinien, und aktiviert beim Betrachter die ganze Fülle persönlicher Erinnerungen an die kindliche Faszination an Schiffen.

Alex Müller ist eine leidenschaftliche Flohmarktgängerin. Ihren Objekten liegen Fundstücke zugrunde, die sie zu neuen Bedeutungsträgern macht. Ein Lampenschirm, der sich wortwörtlich aus einer Lampe und einem sonnengelben Schirm zusammensetzt, ist bestickt mit Worten, die alle die Endung OS tragen – wie Namen aus der Griechischen Mythologie – Es sind persönliche Bezeichnungen für Alex Müllers Geisteshelden. Personen die sie bewundert, deren Arbeit sie schätzt – Jaques Tati, die Sängerin Kate Bush, der Maler Goya etc. Indem sie ihnen Spitznamen gibt, verschleiert Müller ihre Identität und macht sie zum Teil des eigenen künstlerischen Kosmos. Und wir, als um Dechiffrierung bemühte Betrachter werden dazu angeregt, uns auf falsche Fährten zu begeben und Eigenes zu assoziieren.

Vorgefundenes ist auch der Ausgangspunkt von Müllers Malerei. Sie benutzt Stoffreste wie z.B. ein Stück grünen Samt, oder ein altes Frotteehandtuch, als Malgründe. Das Malen auf solchen Untergünden erfordert einen experimentierfreudigen Umgang mit den malerischen Techniken. Farbfluss und -wirkung variieren je nach Untergrund. Die Stoffe bearbeitet Alex Müller indem sie eine Struktur mit Stiften in einen Samt hineinkratzt, oder aber indem sie sie mit Tieren, eigentümlichen Zwitterwesen oder Brustbildern von Frauen bemalt. Bei den Frauenbildnissen handelt es sich nicht um Porträts existierender Personen; Alex Müller nennt sie alle „Hedda“ – „Hedda in Gedanken an Fritz“, „Hedda im neuen Kostüm“, „Eine kluge Hedda zeigt sich mit Hut“ – Diese Frauenbildnisse haben etwas eigenartig melancholisches, obwohl sie einen mit großen Augen anschauen wahren sie die Distanz, so als ob sie sich jederzeit wieder in der Stofflichkeit des Bildes auflösen könnten.

Die Kunstkritikerin Susanne Prinz schreibt in einem Text über die vier Künstler: „Allen gemeinsam ist der poetische Standpunkt, der nicht so sehr in Kategorien der Bildbedeutung denkt, sondern vielmehr uns – dem Publikum – gegenüber Ansprühe geltend macht, die adressiert werden wollen.

Die Künstler versorgen ihr Publikum mit Hinweisen, überlassen es aber letztlich ihm, die Bilder und Objekte mit einer kongruenten Geschichte zu ergänzen. Zwangsläufig werden sich die entstehenden individuellen literarischen Interpretationen des Visuellen unterscheiden. Egal jedoch, wie detailreich die Geschichten ausfallen, im Kern führen sie alle auf Nichtsichtbares zurück. Mit anderen Worten, sie erzählen vom unstillbaren Verlangen. Einer Art Sehnsucht, begründet im Abwesenden, die mit Freuds Unheimlichen verwandt scheint.“

Stefan Römer//Schlagbaum.Über die Grenzen von Natur und Kultur

11. April bis 24. Mai 2010

In einer Serie von Fotografien und Zeichnungen widmet sich der Künstler Stefan Römer der Untersuchung des Verhältnisses von Kultur und Natur. Seine Fotografien, auf ausgedehnten Wanderungen durch Landschaften in Australien, den Amerikas, Asien, Afrika und Europa entstanden sind, zeigen scheinbar alltägliche, doch sehr spezifische Situationen in der Natur: Verbotsschilder, Erläuterungstafeln, Wanderzeichen, Wegweiser etc.  Sowohl anhand der abgebildeten gestalteten Natur als auch anhand der Verbote oder Warnungen auf den Hinweisschildern, wird deutlich, wie problematisch eine visuelle Lokalisierung der Grenze zwischen Kultur und Natur ist.

Die verschieden großen Fotografien hat Römer in Rahmen mit Passepartouts eingelassen, auf die er von Hand florale Ornamente gezeichnet hat. Das Zusammentreffen der präzis geplanten Fotografien und den nachträglichen, eher beiläufigen Zeichnungen auf den Einfassungen der Fotografien erzeugt eine performative Spannung zwischen der mechanischen fotografischen Dokumentation und einem eher automatischen unbewussten (oder: delirierenden) Zeichnen.

Der amerikanische Künstler Robert Smithson entdeckte in den späten 1960er Jahren beim Fotografieren auf einer Mexiko-Reise, dass er sich vorkam, als fotografierte er stereotyp bereits existierende Fotografien – was er im Sinne der Postmoderne als eine Fotografie einer Fotografie bezeichnete. Heute herrscht vor allem angesichts der computersimulierten 3-D-Landschaftsdarstellungen – für die Dan Camerons Hollywood-Film »Avatar« ein zeitgenössisches Beispiel darstellt – eine nostalgische Vorstellung von ursprünglicher Natur als einem Gewesenen.

Für Stefan Römer jedoch gerät die Aktion in dieser künstlerischen und erkenntnistheoretischen Zwischenzone von Natur und Kultur – sowohl beim Wandern und Fotografieren als auch beim Zeichnen – zu einer künstlerischen Arbeit entlang der Trennlinie zwischen Erfahrung und Reflexion, zwischen Chaos und Form, zwischen Botanik und Anthropologie sowie zwischen Delirium und Kategorisierung.