Nana Petzet – METAINVENTUR: Pressetext

Nana Petzet
METAINVENTUR
25. Mai – 7. Juli 2002

Nach längerer Umbaupause eröffnet der Kunstverein Springhornhof seinen neuen Eingangsbereich mit dem Projekt „Metainventur“ von Nana Petzet. Im Zuge der Umgestaltung der Scheuneneinfahrt des alten Bauernhauses zu einem offenen Empfangs- und Informationsareal, mussten alle bisherigen Depot- und Lagerräume aus- und umgeräumt werden. Die Künstlerin wurde eingeladen, den anstehenden Prozess des Identifizierens, Bewertens und Sortierens der Bestände, zum Ausgangspunkt eines Projekts zu machen, das sich in und während der Ausstellung weiter entwickelt.

Petzet lässt In ihren Arbeiten den Ewigkeitsanspruch der Kunst mit den Verwertungszusammenhängen voN Alltagsgegenständen kollidieren. In der Auseinandersetzung mit dem in ihrem eigenen Haushalt anfallenden Verpackungsmüll entwickelte sie 1995 das Verwertungsmodell „Sammeln Bewahren Forschen (SBF)“. Aus gesammelten Einwegverpackungen fertigte sie dekorative Gebrauchsgegenstände – Milchkartons, aufgefaltet und gereinigt, ließen sich zu Kulturbeuteln, Raumteilern oder Fußabstreifern verarbeiten. Eine ausführliche Fotodokumentation beschrieb Funktion, Entstehungszeit und Bauweise der Objekte. Während der Präsentation in Ausstellungen kam dem dadurch entstehenden Ideenaustausch eine wachsende Bedeutung zu.

Im Rahmen der Ausstellung „Einräumen“ in der Hamburger Kunsthalle 2001 begann Petzet damit, ihre umfangreiche Sammlung von Alltagsgegenständen, Verpackungsabfällen und Recyclingobjekten, nach den Regeln musealer Praxis (HIDA/MIDAS) zu inventarisieren und in einer Datenbank detailliert wiederaufrufbar zu machen. So ließen sich einerseits Einsichten in die Strukturen der Objekte und über die Vorgehensweise der Künstlerin gewinnen, andererseits konnte man überprüfen, inwieweit ein, an den traditionellen Kunstformen des Abendlandes entwickeltes Regelwerk zur Klassifikation von Kunstwerken auch auf alltägliche Gegenstände anwendbar ist und damit auch dem erweiterten Kunstbegriff der Gegenwart Rechnung tragen kann.

Mit dem Projekt für den Springhornhof verabschiedet sich Nana Petzet von der Beschäftigung mit ihrer eigenen Sammlung und widmet sich den Lagerbeständen einer seit den sechziger Jahren bestehenden Kunstinstitution. Zunächst ging es ihr um die Frage: „Was ist überhaupt da?“ Wochenlang wurde das Gebäude gründlich durchforstet und die vorhandenen Bilder, Grafiken und Skulpturen, aber auch eine private Sammlung steinzeitlicher Grabungsfunde sowie zahllose Objekte der Kategorie „Überbleibsel und Teile unbekannter Herkunft“ aufgespürt und gesichtet.

Der nächste Schritt war die Bewertung der Bestände durch Fachleute. Eine Gruppe von Historikern, Kunstsammlern, Künstlern und Archäologen wurde gebeten, die Depots ihrerseits durchzugehen und, ausgehend vom jeweiligen Expertenstandpunkt, eine Einschätzung abzugeben. Besonders die Druckgrafiken und die Steinzeitfunde waren dabei für manche Überraschung gut.

Die Erkenntnisse aus den Sichtungen bilden die Grundlage für die Ausstellungskonzeption. In einer, aus fünf Abteilungen bestehenden, Inszenierung werden die Gespräche mit den Experten dokumentiert, Sammlungsbestände nach Petzet’schen Kategorien ausgebreitet, sowie Arbeitsvorgänge, die normalerweise für die Ausstellungsbesucher unsichtbar sind, in die Öffentlichkeit des Ausstellungsraumes verlegt. So wird eine
Umwertung, bzw. ein anderer Blickwinkel auf die Bestände möglich. Bei Vorträgen, Führungen sowie weiteren Sammlungsbegutachtungen durch Experten, können interessierte Ausstellungsbesucher an dem Prozess der Neubewertung teilnehmen und ihn mit entwickeln.

Erklärtes Ziel von Nana Petzet ist es, möglichst viele der Gegenstände nicht nur in einem erweiterten Ausstellungskontext zu präsentieren, in dem es um gültige Kategorisierungen von Artefakten und Kunstobjekten geht, sondern die betreffenden Dinge auch ganz konkret „unterzubringen“. Mit der Ausstellung wird sie Vorschläge unterbreiten, was weiter mit den Objekten geschehen könnte: Verkauf, Entsorgung, Archivierung, wissenschaftliche Forschung, museale Präsentation… Anders ausgedrückt: das Inventar des Kunstvereins wird von ihr umgewälzt und in Bewegung gebracht.

Wir danken dem Land Niedersachsen und der Stiftung Niedersachsen für die Förderung des Umbaus.

Die Ausstellung von Nana Petzet wurde durch das Land Niedersachsen und die VGH-Stiftung ermöglicht.