Ulu Braun — Fiebergärten

21. August – 10. Oktober 2010

Der Künstler Ulu Braun (*1976) gehört zu einer neuen Generation kritischer Romantiker, der existenzielle Themen intelligent mit den Mitteln moderner Ironie, Mystik und poetischer Überraschungseffekte umsetzt. Ein immer wiederkehrendes Thema seiner Filme und Collagen ist  die Anziehungs- und Abstoßungskraft  künstlicher Paradiese gleichermaßen.

Ulu Braun greift dafür auf vorgefundenes Material zurück, nutzt eigene Dokumentaraufnahmen, aber auch Bilder aus Fernsehsendungen und dem Internet. Aus diesen Vorlagen erstellt er einen Film, der ohne klassische Schnitte auskommt, sondern den Bildraum in einem langen Schwenk überblickt. Wie in futuristischen Gemälden stehen zeitlich nicht kohärente Elemente nebeneinander, die wie in dadaistischen Collagen auch in ihren Dimensionen nicht zueinander passen.  Dennoch rezipieren wir den langsamen Schwenk über die dargestellte Szenerie wie ein Landschaftsgemälde.

Sein jüngster Film, ATLANTIC GARDEN, der im Springhornhof Premiere haben wird, ist die Konstruktion einer Landschaft, welche unterschiedliche Aspekte von Traditionalismus und Globalisierung an einem Ort vereint. Ulu Braun zeigt uns eine idyllische Küstenregion in der die unterschiedlichsten Leute und Gruppierungen friedlich und im Einklang mit der Natur nebeneinander existieren. Tanzende Derwische, spirituelle Prediger, fröhliche Landkommunarden, beseelte Esoteriker, ökologisch motivierte Weltverbesserer und prachtvoll gewandete Akteure eines Mittelalterspektakels tummeln sich unter ewig blauem Himmel. Das Video verbindet Idyllen der westlichen Landschaftstradition und die Visionen diverser Heilsbringer zu einem Panorama, in dem das oft Gesehene poetisch wirkt und geheimnisvoll erscheint. In seiner Überhöhung und Potenzierung wird das gesellschaftliche Idyll zwiespältig. Es schleicht sich eine Ahnung von der Beschränktheit und dem unterschwelligen Machtansprüchen ein, mit der sich gesellschaftliche Utopien in ihr Gegenteil verkehren können.

Ulu Braun spielt inhaltlich und formal offen mit der Erzeugbarkeit von Landschaften einschließlich der vielen kleinen Geschichten, die sich darin abspielen. Damit reizt er nicht nur zu direkten Vergleichen einzelner Bildelemente mit bekannten Filmen oder Gemälden, sondern verarbeitet relativ respektlos auch gleich die allgemeine (kunst)historische Entdeckung der Landschaft als menschlicher Bezugspunkt durch Petrarca und Dürer, ihre Idealisierung durch Lorrain, die Feier ihrer sublimen Wirkung durch Friedrich, Goya und Turner, aber auch ihre surrealistische Überformung durch Dalí, Ernst und Tanguy. Möglich ist dies, weil es sich um eine künstliche, aber keine Phantasielandschaft handelt, die im Grunde nur aus dem immer verworrenen Nebeneinander von bewegten Bildern besteht, aus dem wir alltäglich in unserem Fernseh- oder Videokonsum via Internet ganz von alleine solche Landschaften zusammensetzen.