Ingo Vetter: Spekulationen über Skulpturen und Bäume

07.10. – 17.12.2023

Wie konstituiert sich öffentlicher Raum und mit welchen Mitteln lässt sich hier agieren? Ingo Vetter zeigt in der Ausstellung zwei Werkgruppen, die sich mit ganz unterschiedlichen Methoden dieser Frage nähern.

Family Constellation bezieht sich auf die unseriöse aber effektive Therapiemethode der Familienaufstellung, nur werden hier anstelle von Personen in Räumen, Skulpturen auf öffentlichen Plätzen aufgestellt. Die Kunstwerke sind Klassiker der Moderne und können als die Ahnen der Kunst im öffentlichen Raum gelten: Endless Column von Constantin Brancusi (1938), Recumbent Figure von Henry Moore (1938) und Broken Obelisk von Barnett Newman (1966). Ingo Vetter hat sie als aufblasbare Nylon-Objekte nachbauen lassen und nutzt sie wie einen Werkzeugkasten zur Befragung des öffentlichen Raums: Versprechen der Moderne waren Internationalität und universelle Werte, Zugänglichkeit und Teilhabe. Wie steht es heute mit diesen Orten und den daran gebundenen Werten? Nach bisherigen Aufstellungen in Hanoi und Bremen, wurden sie nun in Soltau, Neuenkirchen und Schwalingen aufgebaut und filmisch beobachtet. Die Ergebnisse sind im Erdgeschoss des Springhornhofs zu sehen. Die Aufnahmen und geschnittenen Videos entstanden in Kooperation mit den Künstler:innen und Filmschaffenden Shuling Yuan, Luisa Eugeni und Sebastian Funk.

Tree of Heaven Woodshop wurde 2005 in Detroit von Mitch Cope, Annette Weisser und Ingo Vetter gegründet und verarbeitet ausschließlich das Holz des Götterbaums. Ursprünglich kommt dieser Baum aus China, wird dort wegen seines hübschen Aussehens und als traditionelle Medizin geschätzt, gilt aber auch als Inbegriff der Nutzlosigkeit. In den USA verbreitete sich der Baum mit der Arbeitsmigration entlang der Industrialisierung des Landes. Seine wahren Qualitäten zeigen sich jedoch, wenn er unbeaufsichtigt bleibt: Die anarchische Invasivität und die Fähigkeit, selbst auf stark verschmutzten oder trockenen Böden zu gedeihen, machen den Götterbaum zu einer signifikanten Pflanze postindustrieller Landschaften. Mit dem Fällen und Verarbeiten dieser Bäume in der vernachlässigten Innenstadt von Detroit begann ein künstlerisches Projekt über den Umgang mit Situationen und urbanen Räumen, die ihren ökonomischen Wert verloren haben. Es sind Kunstwerke, die in Kooperationen mit Nachbarschaften, Handwerker:innen, Expert:innen und anderen Künstler:innen entstehen und damit selbst gemeinschaftliche Räume schaffen. Der Tree of Heaven Woodshop agiert mittlerweile international mit Projekten in Nordamerika, Asien und Europa. Die Werke in der Ausstellung im Springhornhof entstanden in Kooperationen mit Mitch Cope, Annette Weisser, Shuling Yuan, Dylan Spaysky, Jason Booza, Kevin Bingham und Radek Stypczynski.

Ingo Vetter (*1968 in Bensheim) ist Künstler und Professor für Bildhauerei an der Hochschule für Künste Bremen. Die Studierenden von Ingo Vetter und Kayle Brandon entwickelten in den Pandemiejahren das Projekt Forced Feral und realisierten 2021 neue Werke für die Landschaftskunstsammlung und eine Ausstellung für den Springhornhof. Mehr Informationen unter https://klassevetter.hfk-bremen.de/ und http://ingovetter.com/

Zur Ausstellung erscheinen von Tania Prill gestaltete Poster und eine Publikation mit einem Gespräch von Ingo Vetter mit Lisa Le Feuvre.

Gefördert durch das Land Niedersachsen und den Lüneburgischen Landschaftsverband

Viola Yeşiltaç

Sollbruchstelle, Thank You for Hustling!

8. Juli – 25. September 2023

Zur Ausstellung erscheint ein Heft mit einem Text von Gürsoy Doğtaş

Fast zwei Monate hat die Künstlerin Viola Yeşiltaç im Gastatelier des Kunstvereins Springhornhof verbracht, um ihre bislang umfangreichste Einzelausstellung in Deutschland vorzubereiten.
Einen Teil der gezeigten Arbeiten – Glasabgüsse von Alltagsgegenständen und eine Serie von Malereien auf der Rückseite von Kunstleder – hat sie mitgebracht; andere Elemente der Ausstellung sind vor Ort entstanden:  Schwarzweissabzüge in der Dunkelkammer des auf dem Springhornhof lebenden Künstlers HAWOLI und Schichtungen aus Überresten der Filzfabrik in Soltau. 
Die stete Bewegung, Neuverortung und Weiterentwicklung von Materialien und Formen sind Teil eines organischen Arbeitsprozesses, den Viola Yesiltac mit der eigenen Suche nach Zugehörigkeit verbindet. Sie wurde in Hannover geboren, hat in Braunschweig und London studiert, in der Türkei, auf Sizilien und andernorts  gearbeitet und lebt heute in New York und Köln. 
Viola Yeşiltaçs künstlerische Arbeit ist wie ein Mosaik zu verstehen, das sich aus unterschiedlichen Materialien zusammensetzt: Skulpturen aus Fundstücken, Fotografien von Objekten und Architekturen, Malereien und Soundpieces sind Bestandteil ihrer Arbeiten. Sie geht damit Fragen von Identität und ihrer Entstehung nach und betrachtet eine Reihe von soziokulturellen Themen, wie z. B. Migrationsbewegungen, durch die Linse ihrer persönlichen Geschichte.
Was diesem Prozess Kontinuität verleiht, ist das sich ständig weiterentwickelnde Repertoire von Themen und Formen, die von einem Format zum anderen, von einem Material zum nächsten wandern, in einer steten Transferbewegung, die sie selbst als performativ versteht. Ort und Kontext, Persönliches und Politisches, Fiktion und Dokumentation werden gleichwertig reflektiert. 

Viola Yeşiltaç * in Hannover. Studium an der HBK Braunschweig und am Royal College of Art, London. Lebt und arbeitet in Köln und New York City.

jüngste Einzelausstellungen: Kunst an Kölner Litfaßsäulen, Kunsthaus Rhenania, Köln, Malraux’s Place, Brooklyn; CLEARING, Brussels BE; Cooper Gallery, DJCAD, University of Dundee SCT; Fondazione Brodbeck Catania IT; David Lewis Gallery; NYC  u.a.m

Gruppenausstellungen: Bureau Gallery New York, Kunstverein Langenhagen, Modern Art Oxford, Oxford UK, Extra City Kunsthal, Antwerpen, The Kitchen, NYC, 30th Sao Pãolo Biennale, Dominique Lévy, New York; Campoli Presti, Paris/ London, Laing Art Gallery, Newcastle; Bundeskunstshalle, Bonn; Sculpture Center, New York, u.a.m

Gefördert durch

Bataklık Brezo Heath Hede Heide 荒野 Lande

Klasse Michaela Melián: Bilge Aksac, Junya Fujita, Lorenz Goldstein, Lennart Häusser, Signe Raunkjaer Holm, Alexander Iliashenko, Frank Koenen, Nikita Kotiliar, Eve Larue, Paulina Laskowski, Sophia Leitenmayer, Toni Mosebach, Elisa Nessler, Julia Nordholz, Sophia Overton, Kervin Saint Pere, Nora Strömer, Dominik Styk, Frederik Vium, Leonie Wahler, Moritz Walker

23.4. – 11.6.2022

Der Titel ist die Bezeichnung für Heidekraut und Heidelandschaft in den Sprachen der Herkunftsländer von mehr als 20 beteiligten Studierenden der Klasse von Michaela Meliàn an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (HFBK).Michaeela Meliàn, die seit ihrer Einzelausstellung im Jahr 2002 dem Kunstverein Springhornhof verbunden ist, lehrt „Zeitbezogene Medien“ an der HFBK Hamburg. Bei diesem Studienschwerpunkt steht die Beschäftigung mit zeitgenössischen künstlerischen Praxen und Fragestellungen im Bereich der Neuen Medien – Film, Fotografie, Sound Art und netzbasierte Technologien – in engem Zusammenhang mit performativen und skulpturalen Arbeitsweisen.
Entsprechend groß ist die Bandbreite der gezeigten Rauminstallationen, Objekte und Filme, in denen es um die Erschaffung fiktiver Welten, aber auch die künstlerische Durchdringung der Realität geht. Ausgangspunkte sind Phänomene des Alltäglichen, historische Entwicklungen und natürliche sowie technologische Prozesse.

Alexandra Leykauf ANIMUS

10.07. – 12.09.2021

Für ihre Ausstellung in der Lüneburger Heide machte sich die Künstlerin auf die Suche nach dem „Anderen“. Sie findet dieses „Andere“ zum Beispiel in den Reproduktionen berühmter Landschaftsgemälde von Künstlern wie Van Gogh, Monet oder Renoir in Kalendern oder Büchern: Versteckte Gesichter, Körper oder Augenpaare, die plötzlich aus dem Bild zurück zu blicken scheinen. Mittels Vergrößerungen, Nachkolorierung, Drehung und perspektivischer Verschiebung arbeitet Leykauf diese Details heraus und macht sie sichtbar. Das Wahrnehmungsphänomen der „Pareidolie“ begegnet uns auch In der Natur wann immer wir meinen, in einer Wolkenformation ein Gesicht oder in einem Baumstamm eine Gestalt zu erkennen. Diese Fähigkeit, uns in anderen Menschen, aber auch in Tieren und der Natur wieder zu erkennen, ist die Grundlage für Empathie. 
An zentraler Stelle der Ausstellung widmet sich Leykauf Holzfiguren aus prähistorischen Sammlungen, die aus Mooren geborgen wurden und seltene Beispiele des germanischen und keltischen Glaubens sind. Es wird angenommen, dass sie Götter und Göttinnen verkörperten. Es ist dieser seltsame Vorgang, Bäume mit minimalen handwerklichen Eingriffen in menschenähnliche Figuren zu verwandeln, um sie als dieselben Götter zu verehren, die der keltisch-germanischen Mythologie zufolge die Menschheit aus Bäumen erschufen, die Leykauf an diesen Objekten fasziniert. Die Grobheit dieser Idole ist nicht auf mangelndes Können zurückzuführen – aufwändiger Schmuck aus der gleichen Zeit zeugt davon –, es scheint eher so etwas wie die Ökonomie der Mittel im Spiel zu sein. Zuerst scheint es einen pareidolischen Moment gegeben zu haben, einen Baum, der einer menschlichen Figur ähnelt, der dann mit möglichst wenig Eingriff vertieft und verbessert wurde. Ein Grund für die Entscheidung, die Idole eher abstrakt zu halten, war vielleicht auch Raum für Projektion und Imagination zu lassen. Fotografien dieser hölzernen Figuren reproduziert Leykauf nahezu lebensgross auf Spiegel, so dass sich die Erscheinung der Betrachtenden mit denen der Figuren vermischen. 
Wie in allen Arbeiten von Leykauf  steht auch hier Fragen der Repräsentation und Verkörperung im Mittelpunkt ihres künstlerischen Denkens. Während die „Vermenschlichung“ als unwissenschaftlich und daher als etwas zu Vermeidendes angesehen wird, würde Leykauf argumentieren, dass die Objektivierung der nicht-menschlichen Welt uns in den ökologischen Schlamassel gebracht hat, in dem wir heute stecken.


Alexandra Leykauf wurde 1976 in Nürnberg geboren, hat in Nürnberg und Amsterdam studiert und lebt mittlerweile in Berlin. Einzel- und Gruppenausstellungen hatte sie unter anderem in der Villa Du Parc, Annemasse (2015), der GAK, Bremen (2015), der Städtischen Galerie Wolfsburg (2014) im Stedelijk Museum Amsterdam (2014), und bei der III. Moscow Biennale in Moskau (2012). Ihre Werke sind in zahlreichen Sammlungen wie der des Centre Pompidou (F), des Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris (F) und der Royal Dutch KPN Collection (NL) vertreten.

Gefördert durch das Land Niedersachsen und den Lüneburgischen Landschaftsverband

Forced Feral / Erzwungene Verwilderung

Neue Landschaftskunstwerke und künstlerische Interventionen
von Siman Chen, Yunna Diao, Ada Hillebrecht, Eunhye Kim, Stéphane Krust, Ruth Lübke, Quin Maclennan, Janis Mengel, Philipp Michalski, Anne Nitzpan, Minjeong Park, Laura Pientka, Paul Putzier, Ole Prietz, Martin Reichmann, Berit Riekemann, Seung Hyun Seo, Nala Tessloff, Jana Thiel, Kaori Tomita und Raphael Wutz.
Betreut von Kayle Brandon, Ingo Vetter und Olav Westphalen
Ein Projekt in Kooperation mit der Hochschule für Künste Bremen

Aussenarbeiten bis Oktober 2021.
Den Lageplan bekommt man im Springhornhof.

Ausstellung vom 27. Juni bis 04. Juli.

Nicht ohne meine Kaffeeschuhe! Und nur mit Muschelschalen voller Marmelade nähern wir uns den Landschaftskunstwerken des Kunstvereins Springhornhof in der Lüneburger Heide. 

Kuratorin Bettina von Dziembowski lud die Studierenden der Klasse Kayle Brandon/Ruth Rubers/Ingo Vetter/Olav Westphalen von der Hochschule für Künste Bremen nach Neuenkirchen ein, um mit dem Kunstverein und den seit den 1960er Jahren entstandenen und heute rund 40 Werke umfassenden Skulpturen im offenen Landschaftsraum zu arbeiten. Die Corona-Pandemie veränderte alles, die Formen der physischen und sozialen Auseinandersetzung, durchdrang Planung, Umsetzung, Kommunikation und Vermittlung. Die Pandemie wurde zur Bedingung dessen, was wir „Erzwungene Verwilderung“ nennen.

Aus den normalen, alltäglichen, gewohnten, sozialen und räumlichen Beziehungen heraus gedrängt und in den Sicherheitsbereich von Hygiene- und Abstandsregelungen getrieben zu werden, erzeugte Nebeneffekte, die durch uns hindurchwirkten. Mit wenigen Orten, an die wir gehen konnten, wanderten wir gleichzeitig in die Natur und in virtuelle Konferenzräume. In der Abwesenheit des gewohnten Alltagslebens keimte ein Zustand der Verwilderung auf. 

Seit Frühjahr 2020 waren wir regelmäßig vor Ort, trafen uns im Kunstverein und okkupierten das Gastatelier. Wegen Corona durften wir nicht mehr als Gruppe auftreten, stattdessen tauchten einzelne Studierende in die Umgebung ein. Einsinken und sich vertraut machen mit den Orten wurde von der Pandemie mitgestaltet. Aufkommende Wünsche wurden durchdacht und sogar das Zelten im Winter schien eine gute Idee zu sein. Es wurde viel herumgelaufen oder fahrradgefahren und mit den Menschen der Gegend geredet, weil es so viele Dinge gab, von denen wir keine Ahnung hatten: Ortstein, Tiefpflügen, furzende Kühe oder wieder eingewanderte Wölfe. 

Bei unserer Suche nach Anknüpfungspunkten und Verbindungen waren formale skulpturale Mittel wenig hilfreich. Stattdessen konnten wir uns dem Thema mit Pilze sammeln, verirren, nassen Füßen und schmutzigen Händen, Tinder-Wischen oder sitzen in Bäumen nähern. Es wurde viel gegraben, vergraben, geklettert und ausgegraben. Entstanden sind 17 neue Werke, die menschliche und nicht-menschliche Beziehungen verweben, Angebote für ein Miteinander schaffen oder Orte neu erschließen. Entlang des Hahnenbachs zwischen Neuenkirchen und Rutenmühle finden sich nun monumentale Betonskulpturen, ein bemalter Baum im Wald, ortsbezogene Performances bis hin zu Foto- und Videoarbeiten oder filigranen 3D-Drucken im Springhornhof selbst. 

Die Werke sprechen miteinander und suchen die Aufmerksamkeit der Besucher des Springhornhofs, der Gemeinde Neuenkirchen, der Pflanzen-, Tier-, Pilz- und Virenwelt, der industrialisierten Felder, der Steine und der schlammigen Begierden. Die künstlerischen Arbeiten werden zu Fäden eines Gewebes und – um bei der Metapher von Donna Haraway zu bleiben – wenn an einem Faden gezogen wird, offenbaren die Verbindungen eine Bewegung im gesamten Gewebe.

Besonders danken wir 
Familie von Fintel (Delmsen), Jens Prüser (Neuenkirchen), Wolfgang Hinze (Brochdorf), Heinrich Inselmann (Neuenkirchen), Johann Kath (Rutenmühle), Thomas Methner WRM (Grauen), der Gemeinde Neuenkirchen, den Stadtwerken Schneverdingen und der St Bartholomäus Kirchengemeinde (Neuenkirchen) für Rat und Tat und dafür, dass sie uns die Plätze für die Aussenarbeiten zur Verfügung gestellt haben.

Gefördert durch das Land Niedersachsen und den Lüneburgischen Landschaftsverband, Karin und Uwe Hollweg Stiftung, Waldemar Koch Stiftung, Fonds Innovative Lehre und Freundeskreis der Hochschule für Künste Bremen.

Verena Issel KLAPP KLAPP

bis 13. Juni

Verena Issel zeigt in der Ausstellung KLAPP KLAPP eine fulminanten Parcours bunt ineinander übergreifender Bilder und Räume. Die norwegisch-deutsche Künstlerin ist bekannt für ihre vielteiligen, teils begehbaren Szenarien aus Objekten, Zeichnungen und Wandmalereien, deren gesellschaftspolitische und kulturhistorische Bezüge trotz ihrer Verspieltheit eine eindringliche Ernsthaftigkeit entfalten können.
Ausgangspunkt von Issels Installation, die sich über das gesamte Erdgeschoss des Kunstvereins erstreckt, ist eine Serie von Zeichnungen unter dem Titel „January Depression (Remedy)“. Die etwa vierzig Bilder entstanden Anfang vergangenen Jahres, als die Künstlerin aufgrund der Corona-Pandemie drei Wochen in strikter Quarantäne in ihrer Berliner Wohnung verbringen musste.
Die Einschränkung ihrer Freiheit machte Verena Issel mental stark zu schaffen, denn das Reisen von Ort zu Ort und die damit verbundenen neuen Begegnungen, Eindrücke und Perspektiven, war bis zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Quelle ihrer künstlerischen Arbeit.
In dem Versuch die räumlichen und sozialen Einschränkungen zu akzeptieren, statt sich daran aufzureiben, erlegte sich Issel eine Reihe strenger Regeln auf. Sie beschloss, sich auf das Medium Malerei zu beschränken, nur auf grauem Karton im Format 42x30cm zu malen, und nur ungemischte Grundfarben aus einer sehr begrenzten Farbskala zu verwenden, die sie in breite Textmarker einfüllte und damit auf das Papier auftrug.
Das Regelwerk klingt recht simpel, bedeutete jedoch für Issel, die mit ihrer Kunst normalerweise über ganze Räume oder Wände verfügt, eine harte Einschränkung. Dennoch zwang sie sich jeden Tag mindestens zwei Bilder zu malen. 
Die Therapie gelang. Verena Issel entging den Verlockungen von Netflix und der drohenden Corona-Depression und entwickelte ungeahnte Freude daran, Farben und Formen auf kleinem Format zu kombinieren – mal abstrakt, mal gegenständlich, mal klar umrissen, mal verspielt. Das einzige, was sie sich zusätzlich erlaubte, war es Gegenstände aus dem Haushalt – bunte Ohrstöpsel, Plastikfransen oder Schaumstoffteilchen – mit ins Spiel zu bringen.
In der Ausstellung im Springhornhof erobern sich die kleinen Bilder, die zunächst als private Übung gedacht waren, nun die Freiheit zurück. Die bunten Motive werden zum Raum, sie springen über auf Wände und Böden, mutieren zu frei stehenden Umrissen, wiederholen sich, wechseln Farben und Proportionen und flirten heftig miteinander. 
Das Obergeschoss des Ausstellungsgebäudes gestaltet die in lateinischer Sprache und Mythologie bestens bewanderte Künstlerin um zur „Antikenabteilung“. Ein Wandfries im Kartoffeldruck, Kapitelle aus Schafwolle, antike Vasen auf Sperrholz und Badematte sowie dubiose Marmorbrocken erzählen von kulturellen Missverständnissen und der unerfüllten Liebe zur Antike. 

Verena Issel wurde 1982 in München geboren und ist in Norwegen aufgewachsen. Sie hat Freie Kunst und klassische Philologie in Hamburg studiert und lebt heute in Berlin. Arbeitsaufenthalte führten sie unter anderem nach Russland, Taiwan, Südkorea, Japan, Litauen und Papua-Neuguinea. Die Volksbühne Berlin (DE), das ZARYA Center for Contemporary Art (RU), die Trafo Kunsthall (NOR), der Westfälische Kunstverein / LWL Museum Münster und der Kunstverein Jesteburg widmeten ihr Einzelpräsentationen. 2020 war Verena Issel Gastprofessorin an der HfbK Hamburg.

Die Ausstellung und die Ausseninstallation werden gefördert durch das Land Niedersachsen, die Stiftung Niedersachsen und den Lüneburgischen Landschaftsverband.

Michael Schmid MOMENT,

Moment,10. September – 16. Oktober 2016

In den Fotografien von Michael Schmid sind die Motive unmissverständlich.
Gegenstände seiner Darstellung sind oftmals Dinge des Alltags: eine Lampe, ein Herd, ein Gummihandschuh usw. Diese „Objekte der Erfahrung“ (Krauss) stehen isoliert im Zentrum des Bildraums, wo nichts von ihrer Präsenz ablenkt.
Eine dezidierte Konzentration auf das Wesentliche wohnt den Bildern inne, wobei ein Inneres – das sollten wir bei der Betrachtung von Fotografien niemals aus den Augen verlieren – sich hier nur auf der Oberfläche, an jenem „prominente[n] Ort einer Verständigung über die ihm vorausgesetzten medialen Bedingungen“ (Siegel), materialisiert. Auf, oder besser, in dieser dünnen Schicht verdichten sich Licht und Chemie zu einem Bild.
aus: Yvonne Bialek, „how to show“ – Versuch einer Antwort mit den Bildern von Michael Schmid, 2015.

www.schmidmichael.com

Dokumentation Waldschutzhütte

Marjetica Potrč und die Klasse Design der Lebenswelten der HfbK Hamburg (Finn Brüggemann, Maria Christou, Fabian Dehi, Bernhard Niklaas Karger, Maja Leo, Johanna Padge, Till Richter, Amalia Ruiz-Larrea, Nuriye Tohermes) in Zusammenarbeit mit der Klasse 6a der GOBS Neuenkirchen und ihrer Lehrerin Lena Kohrsmeier

Begleitausstellung zum Projekt „Offenland – Kunst und Umweltbildung“

18.10. – 21.12.2014

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Die Neuenkirchener Schule bewirtschaftet seit März 2013 ein in der Nähe des Dorfes gelegenes Waldstück. Am Rande dieses Waldstücks haben die Klasse 6a der und ihre Lehrerin Lena Kohrsmeier im Frühjahr damit begonnen, gemeinsam mit der Künstlerin Marjetica Potrč und einem Team von Studierenden der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg eine „Waldschutzhütte“ zu planen, die ein Ausgangspunkt für die Erforschung und Erfahrung des Waldes sein soll.

Am Beispiel von Behausungen der Tiere des Waldes wurde erkundet, was ein schützender Ort im Wald erfordert und wie er aussehen könnte. Es wurden Ideen gesammelt, Träume und Wünsche geäussert, Erfindungen gemacht, gezeichnet und Modelle gebaut. Die möglichen Ausmasse einer Architektur zwischen Bäumen, die als Unterstand, Lagerraum, Rückzugsort, Treffpunkt und offenes Klassenzimmer genutzt werden kann, wurde mit provisorischen Lattenkonstruktionen erprobt.

Mit der Präsentation im Kunstverein Springhornhof soll das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt und weitere Anregungen und Ideen gesammelt werden, bevor ein konkreter Entwurf entsteht. Nächste Schritte sind die Umsetzung des Entwurfs in eine genehmigungsfähige Bauzeichnung und die Errichtung der „Waldschutzhütte“ durch Schüler, Studenten und Handwerker aus der Region.

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Katie Paterson: Eveningness

English text see below

 Lightbulb Moonlight09. August – 28. September 2014
„Katie Paterson: Eveningness“ ist das bislang größte und anspruchsvollste Ausstellungsprojekt der Künstlerin, die die britische Zeitung The Observer 2010 als eine der „besten jungen Künstlerinnen Großbritanniens“ bezeichnet hat. Es ist ihre erste Einzelausstellung in Deutschland.

Katie Paterson nutzt für ihre Kunstprojekte hoch entwickelte Technologien und das Wissen von Experten, um die intimen, poetischen und philosophischen Beziehungen des Menschen zur Natur darzustellen. Ausgestattet mit der kindlichen Fähigkeit des Staunens und einem ausgeprägten Sinn für das Absurde, lässt uns ihr Werk das Universum neu sehen und eröffnet ein mitunter schwindelerregendes Bewusstsein für unseren Platz im Kosmos. Sie vereint einen wissenschaflich basierten Ansatz mit romantischer Sensibilität und minimalistisch „kühler“ Präsentation. Ihre Werke brechen die Distanz zwischen dem Betrachter und den entferntesten Winkeln von Zeit und Raum.

Paterson hat das Geräusch eines schmelzenden Gletschers live in den Ausstellungsraum übertragen, hat alle verloschenen Sterne kartografiert, ein Diaarchiv von der Dunkelheit in den uralten Tiefen des Universums erstellt, eine Glühbirne entwickelt, mit der sich die Erfahrung des Mondlichts simulieren lässt und ein nano-kleines Sandkorn tief in der Wüste Sahara begraben. Damit ruft sie Gefühle von Demut, Staunen und Melancholie hervor, die der romantischen Empfindung des Erhabenen nah verwandt sind. Patersons Werke sind zugleich sparsam in der Geste und gewaltig in ihren Dimensionen.

Die Ausstellung wird von der portugiesischen Kuratorin Filipa Oliveira und Bettina v. Dziembowski (Springhornhof) kuratiert und ist eine Koproduktion des Kunstvereins Springhornhof mit der Mead Gallery Warwick (GB) und La Casa Encendida, Madrid (E). Anhand der unterschiedlichen Auswahl von Arbeiten an den drei Ausstellungsorten, werden sich die vielfältigen Bedeutungsebenen von Katie Paterson künstlerischer Praxis Schritt für Schritt entfalten.

„Eveningness“ im Springhornhof konzentriert sich auf Werke, die sich mit dem Mond und dem Weltraum befassen. Die Spuren und Aufzeichnungen aus dem Hier und Jetzt wecken unsere Vorstellungskraft von weit entfernten Zeiten und unergründlichen Orten.

Die Ausstellung wird durch die Förderung durch das Land Niedersachsen und die Stiftung Niedersachsen ermöglicht.

Katie Paterson wurde 1981 in Glasgow geboren und lebt und arbeitet in Berlin. Seit ihrem Abschluss an der Slade School of Fine Art 2007 wurden ihre Werke von London bis New York, von Berlin bis Seoul, international ausgestellt und waren Teil wichtiger Ausstellungen in der Hayward Gallery und Tate in London, der Wiener Kunsthalle und Sydneys MCA. Patersons Arbeiten sind in Sammlungen wie dem Guggenheim Museum New York und der National Gallery of Modern Art, Edinburgh vertreten.

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Katie Paterson: Eveningness
9 August – 28 September 2014

Katie Paterson: Eveningness is one of the largest, and most ambitious exhibition of Paterson’s work to date, named by The Observer in 2010 as one of the ‘best new artists in Britain.’ It is her first solo show in Germany.

Katie Paterson’s conceptual projects make use of sophisticated technologies and specialist expertise to stage intimate, poetic and philosophical engagements between man and the natural environment. Tempered with a childlike kind of wonder and a keen sense of the absurd, her work makes us see the universe anew and offers a sometimes giddying sense of our place within the cosmos. Combining a research-based approach, a Romantic sensibility and coolly Minimalist presentation, her work collapses the distance between the viewer and the most distant edges of time and space. In the past, Paterson has broadcast the sounds of a melting glacier live to a visitor on a mobile phone in an art gallery, mapped all the dead stars, compiled a slide archive of darkness from the ancient depths of the universe, custom-made a light bulb to simulate the experience of moonlight, and buried a nano-sized grain of sand deep within the Sahara desert. Eliciting feelings of humility, wonder and melancholy akin to the experience of the Romantic sublime, Paterson’s work is at once understated in gesture and yet monumental in scope.

Co-curated by Bettina von Dziembowski and Filipa Oliveira, this exhibition is co-produced by the Kunstverein & Stiftung SPRINGHORNHOF with Mead Gallery, Warwick, and La Casa Encendida, Madrid. The multifarious meanings that can be accorded Katie Paterson’s practice will unfold over the duration of the exhibition tour with divergent selections of the artist’s work presented at each of the three exhibition venues.

The second of these exhibitions, Eveningness, which opens on 9th of August at the Kunstverein SPRINGHORNHOF, explores the conceptual nature of Katie Paterson’s practice and simultaneously focuses on works that deal with the moon and space, examined through traces and recordings in the here and now which trigger our imagination, often linking us to distant times and far unfathomable places.

Katie Paterson was born Glasgow, 1981 and currently lives and works in Berlin. Since graduating from the Slade School of Fine Art in 2007 she has gone on to exhibit internationally, from London to New York, Berlin to Seoul, and her works have been included in major shows including the Hayward Gallery and Tate in London, Vienna’s Kunsthalle and Sydney’s MCA. Her artworks are represented in collections such as the Guggenheim New York and the Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh.

Landschaften hören / Listening Landscapes

Jens Brand, Rebecca Chesney, Ulrich Eller, Cevdet Erek, HC Gilje, Pit Noack

Oliver Blomeier & Max Eastley
Installationen im Rahmen des Musik 21 Festivals

21. Juni – 3. August 2014

In der Ausstellung „Landschaften hören Listening Landscapes“ geht es um die vielfältigen Beziehungen von akustischer und visueller Wahrnehmung von Natur und Landschaft. Auf unterschiedliche Weise operieren die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler, darunter der documenta-Teilnehmer Cevdet Erek, innerhalb und ausserhalb der Ausstellungsräume mit dem Zusammenspiel von Klang, Raum, Zeit, Bewegung und Form. Akustische Interventionen erweitern die natürliche Klangumgebung, Naturgeräusche werden zu visuellen Zeichen, aus Bewegung entstehen hörbare Landschaften und unsichtbare Vorgänge in der Natur werden mittels Elektronik wahrnehmbar.

Höhepunkt und Erweiterung der Ausstellung ist das dreitägige Musik 21 Festival, das vom 18. – 20. Juli in und um den Kunstverein Springhornhof stattfindet.

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Eine Ausstellung im Rahmen von Musik 21 Niedersachsen
DANK

Wir danken dem Land Niedersachsen, dem Lüneburgischen Landschaftsverband, der Volksbank Lüneburger Heide eG und der Stiftung Niedersächsischer Volks- und Raiffeisenbanken für die Förderung der Ausstellung. Der Abfallwirtschaft Heidekreis und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe danken wir für die Unterstützung bei der Realisierung der Installation von Pit Noack.

 

Rolf Schneider — aufkreuzen (1984)

Rolf Schneider,
geb. 1948 in Heidelberg, gest. 2006

Die verbindende Aufgabe an die Künstler Hans Albrecht, Rainer Selg, und Rolf Schneider, die im Sommer 1984 eingeladen wurden, eine Arbeit in einem kleinen Waldstück bei Holtmannshof zu realisieren, war die Darstellung von Bewegung und Zeit. Es sollte ein plötzliches und unverhofftes Erscheinen, eine Bewegung, ein »aufkreuzen« imaginiert werden. Ein Zustand der Unruhe und der Flüchtigkeit.
Der einzige noch erhaltene Beitrag zu »aufkreuzen« ist der von Rolf Schneider. Zwei gekreuzte T-Träger in leuchtendroter Farbe durchdringen eine rostige Metallkonstruktion, die Spitze eines ehemaligen Leitungsmastes. Die Elemente der raumgreifenden Konstellation heben sich deutlich voneinander und von der übrigen Umgebung ab. Als Fremdkörper assoziiert die Arbeit Schnelligkeit und offene Dynamik.