Pressetext: Inga Svala Thorsdottir — Borg 21° W 64° N

11. November bis 17. Dezember 2006

Nomen est omen: Der Nachname der isländischen Künstlerin Inga Svala Thorsdottir bedeutet wörtlich übersetzt Tochter des Thor, des nordischen Donnergottes, dessen Attribut ein Hammer ist. Hämmern, Äxten, Feilen und anderen Werkzeugen fielen in den Pulverisierungsaktionen, mit denen die Künstlerin bekannt geworden ist, regelmäßig die unterschiedlichsten Gegenstände zum Opfer. Das Ergebnis ist Anti-Bildhauerei, das feinkörnige Ergebnis im Einmachglas ist die negative Form von Skulptur.

Aber nicht nur die Dekonstruktion der sie umgebenden Welt beschäftigt Thorsdottir: Eine konstruktive Utopie, einen urbanen Garten Eden, plant sie in ihrem aktuellen Projekt, der Stadt BORG. Das sorgfältig ausgewählte Areal ist eine schneeverwehte Tundra nördlich der Hauptstadt Rejkjavik, ein Gebiet, das ihren Erkundigungen zufolge im Moment hauptsächlich von Elfen genutzt wird. In ihrer Vorstellung wird die neue Stadt namens BORG schon bald bis zu einer Million Menschen beherbergen. Im Sinne einer klassischen Utopie hat Inga Svala Thorsdottir umfassende gesellschaftliche und ästhetische Ideale für ihre Stadt. Sowohl die Infrastruktur als auch die Gebäude werden sich an der Natur orientieren. Isländische Flora und Fauna bilden die Baustoffe für die neue Stadt, aber auch das Formenrepertoire. Vorgesehen sind mehrere Bahnhöfe, Schwimmbäder, Bibliotheken, Bars und Clubs, – auch für Drogen, Sex und frische Gerichte wird rund um die Uhr gesorgt sein. Im Mittelpunkt dieser spielerisch-sinnlichen Untersuchung steht die Frage, nach welchen Prinzipien wir in Zukunft leben wollen. Eine der wichtigsten Energieformen in BORG ist der Geistesblitz.

Neben städtebaulichen und architektonischen Plänen hat Thorsdottir soziologische Aspekte im Sinn. So will sie das Konzept von Arbeit grundlegend reformieren und erhofft sich eine Befruchtung der isländischen Sprache durch die vielen neu in das Land ziehenden Bewohner von BORG.

In der Ausstellung umreißt eine Landkarte das weitläufige Areal, wo sich BORG – auf Isländisch bedeutet das Wort „Stadt“ – ausbreitet. In Zeichnungen, Objekten, Diagrammen und Texten nimmt das Phänomen immer wieder andere Gestalt an: Die von Vulkanen und heißen Quellen geformte Landschaft wird zum Vorbild einer der Natur nachempfundenen Architektur.

In der denkbaren Metropole BORG mutieren Krater zu Plätzen, Berge zu Gebäuden, in denen bis zu einer Million Menschen Platz finden könnten. Das eine führt zum anderen: Der Vulkan, der einer topografischen Landkarte entnommen ist, wird zur gezeichneten Spirale, die sich in verschlungene Windungen neurobiologischer Kommunikationssysteme des Gehirns verwandelt, die in gemalter und skulpturaler Form den Moment eines „Geistesblitzes“ zur Anschauung bringen – und ihrerseits wieder wie Bilder exotischer Flora wirken.

Inga Svala Thorsdottir agiert in einem grenzüberschreitenden künstlerischen Gebiet, in dem Wissenschaft und Naturbeobachtung, Forschung und Gesellschaftsstudien und vieles mehr harmonisch zusammenfließen.

Gefördert durch das Land Niedersachsen und die EU-Gemeinschaftsinitiative Leader+