Llobet & Pons / Bevölkerungspyramidengrillplatz

 

Einweihung 30. August 2019

Das spanische Künstler-Duo Llobet & Pons hat gemeinsam mit Dorfbewohnern und unterstützt von einem Team von Jugendlichen aus China, Deutschland, Frankreich, Russland, Serbien und Spanien eine partizipative Außenskulptur in Behningen bei Neuenkirchen entwickelt. 
Zwischen dem Dorfgemeinschaftshaus, das vor kurzem von den Dorfbewohnern renoviert wurde, dem Feuerwehrhaus und dem Spielplatz entstand der zweiteilige „Bevölkerungspyramidengrillplatz“, dessen skulpturale Gestaltung auf statistischen Daten zur Bevölkerungsentwicklung im Heidekreis basiert. Das Anliegen der beiden Künstler war es, eine Struktur zu schaffen, die einen praktischen Nutzen hat und zum Nachdenken über die Zukunft anregt. Ein Ort zum Feiern, an dem Dorfbewohner und Kunstbesucher sich treffen, picknicken und grillen können und der im Gegensatz zur traurigen Realität der Landflucht steht.

Seit 2002 erarbeiten Jasmina Llobet (*1978, Barcelona E) und Luis Fernández Pons (*1979, Madrid E) gemeinsam Skulpturen, Objekte und Installationen für den Innen- und Außenraum. Das künstlerische Vorgehen der beiden basiert auf der Beobachtung sozialer Beziehungen und dem Dialog. Vielfach verändern Llobet & Pons Alltagsgegenstände wie Baumaterialien, Kleidungsstücke oder Sportgeräte, um diese in einer Weise nutzbar zu machen, die den Objekten eine neue Bedeutung verleiht. Zu ihren bekanntesten Werken im Öffentlichen Raum zählt „Multibasket – No one wins“, eine variantenreiche Serie von Skulpturen aus Basketballkörben, bei denen das Spiel nach neuen Regeln erfolgen muss. In Barcelona wurden 2018 mehrere Körbe zu einem Ring angeordnet, auf Kuba bewegte sich 2015 ein „Basketmobil“ auf einem langsam fahrenden Auto durch ein Wohngebiet. In der Ausstellung „The Playground Project“ 2018 in der Bundeskunsthalle Bonn, markierten Basketballkörbe die Standorte von Ankerzentren für Geflüchtete auf großen Tafeln mit den Umrissen von Spanien und Nordrhein-Westfalen. 

Der „Bevölkerungspyramidengrillplatz“ wurde durch die Leader-Region Hohe Heide, den Lüneburgischen Landschaftsverbend und die VGH-Stiftung gefördert.
Der Aufenthalt der Jugendlichen wurde in Zusammenarbeit mit den Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten (ijgd) organisiert und durch die Rotary Clubs Walsrode und Hannover-Leineschloss unterstützt.

Mutter / Genth DIE INNERE LOGIK DER GESCHICHTE

Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Landschaftskunstprojekte von Kunstverein & Stiftung Springhornhof haben die Hamburger Künstler Heike Mutter und Ulrich Genth eine mechanische Installation mit der Holzfassade des Ausstellungsgebäudes realisiert. „Die innere Logik der Geschichte“ bezieht sich unmittelbar auf den Ort Neuenkirchen und seinen Entstehungsmythos. Die Existenz Neuenkirchens wird auf die erste mittelalterliche Kirche zurückgeführt, die an der Stelle des heutigen Kirchenbaus errichtet wurde. Zu ihrer Gründung ist eine einzige Geschichte schriftlich überliefert, mit der sich lokale Heimatforscher in jahrelanger Arbeit auseinandergesetzt haben. Sie wurde auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht und in das lückenhafte Puzzle aus geschichtlichen Überlieferungen eingeordnet. 1958 stellte die Gemeinde trotz der Annahme, dass die Geschichte sich so nicht ereignet haben kann, einen Antrag das Gemeindewappen mit Elementen dieser Geschichte zu gestalten. Die künstlerische Arbeit ist die meiste Zeit nahezu vollständig verborgen. Nur eine Wetterstation auf dem Dach und die feine Linienzeichnung eines Fensterausschnitt es in der Fassade sind permanent sichtbar. Von Zeit zu Zeit öffnen sich ohne Ankündigung zwei Läden im Giebel und schwenken langsam nach außen. Durch eine verborgene Mechanik schließen sich die zwei Hälften eines metallenen Pferdekopfes in der Mitte zu einer Figur. Weithin verkündet sie die Entstehungslegende des Dorfes Neuenkirchen; jedoch immer wieder in einer anderen Version. Die verschiedenen Versionen konzentrieren sich jeweils auf einen anderen Aspekt des Mythos. Nach der Erzählung schließen sich die Läden wieder.

_________________________________
Wir danken dem Land Niedersachsen und dem Lüneburgischen Landschaftsverband für die großzügige Unterstützung


Jeppe Hein – Parcours (2009)

Aussenstelle des Springhornhofs im Camp Reinsehlen bei Schneverdingen (ca. 16 km nördlich von Neuenkirchen)

Info & Anfahrt: Leporello_JeppeHein_Parcours

Jeppe Hein, Loop Bench (2009) - Camp Reinsehlen bei Schneverdingen

Die „Loop Bench,“ die Jeppe Hein 2009 am Rande einer weiten Gras- und Heidefläche inmitten der Lüneburger Heide platziert hat ist nicht zu übersehen. Die strahlend weiße Skulptur sieht aus, als wäre eine harmlose Parkbank zu einer rasanten Achterbahn mutiert. Sie bildet den Auftakt zu einem „Parcours“ mit denen der dänische Künstler das ehemalige Militärgelände Camp Reinsehlen bei Schneverdingen auf überraschende Weise in Szene setzt.

Entlang eines Rundwegs, der bauliche Relikte der militärischen Nutzung als Flugfeld im 2. Weltkrieg und späteres Panzergelände der britischen Streitkräfte miteinander verbindet, trifft man immer wieder auf diese fremdartigen Objekte. Sie erinnern an Parkbänke, entziehen sich allerdings der gängigen Nutzung. Jede ist auf eine andere Weise verformt und verfremdet: zu hoch, zu tief, scheinbar kaputt oder zu einem Kreis gebogen.

Der Höhepunkt des Kunstparcours kommt dagegen völlig unscheinbar daher. Am Rande des Wasserauffangbeckens der ehemaligen Panzerwaschanlage steht eine schlichte Sitzbank aus Holz. Setzt man sich darauf, steigt in der Mitte des Beckens eine zwanzig Meter hohe Wasserfontäne empor (nur in den Sommermonaten). Der ruppigen Zweckarchitektur wird ein überraschend poetisches Motiv entgegen gesetzt. Doch wie so oft im Werk von Jeppe Hein manifestiert sich das Kunstwerk erst, wenn es wahrgenommen wird. Steht der Betrachter wieder auf, sinkt der Wasserstrahl nach kurzer Zeit in sich zusammen.

Im Sommer 2007 erhielt Jeppe Hein für seinen „Parcours“ den Landschaftskunstpreis NEULAND, den die Stiftung Niedersachsen gemeinsam mit der Stiftung Springhornhof sowie in enger Kooperation mit dem Institut für Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover ausgelobt hat.

Jeppe Hein (*1974 in Kopenhagen) ist ein in Berlin lebender dänischer Bildhauer.
Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie und an der Städel-Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt.
Seine Werke werden international ausgestellt, unter anderem in der Tate Liverpool (A Secret History of Clay), in der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig (Performative Installation) und in New York im Museum P.S.1 (Flying Cube).

 

Mark Dion – Springhornhof Institut für Paläolithische Archäologie (2009)


Mark Dion, Springhornhof Institut für Paläolithische Archäologie (2009)

Mark Dion, geb. 1961, lebt in Pennsylvania und New York, USA

Das „Springhornhof Institut für Paläolithische Archäologie“ ist eine in­terdisziplinäre Installation des Künstlers Mark Dion. Ausgangspunkt ist eine Sammlung steinzeitli­cher Funde, die der begeisterte Hobbyarchäologe Wilm Falazik, der Anfang der sechziger Jahre eine Galerie auf dem Springhornhof eröffnete, in und um Neuenkirchen zusammengetragen hat.

Auf drei Etagen des historischen Treppenspeichers installiert Dion prähistorische Artefakte, archäologisches Handwerkszeug, Fundstücke, Textfragmente und ein Diorama samt zotteligem Mammut zu einer opulenten Gesamtinszenierung, die wissenschaftliche Prinzipien, persönliche Sammelleidenschaft, künstlerische Sichtweisen und Klischeebilder miteinander verquickt.

Mark Dion befasst sich in seinen überbordenden Rauminstallationen mit unserem Umgang mit der Natur und ihrer Repräsentation in Wissenschaft und Alltagswelt, sowie mit den komplexen Strukturen einer Geschichtsschrei­bung, die durch Objekte entsteht.

 

Peter Pommerer — Die eingefangene Zeichnung (2003)

Peter Pommerer,
geb. 1968 in Stuttgart, lebt in Stuttgart

Der mehrteilige Bau zwischen Wald, Bach und Maisfeld zitiert fragmentarisch die Tränke und einen Teil des Eingangsbereichs der Elefantenanlage im Stuttgarter Zoo, die 1968 als moderner Betonzweckbau errichtet wurde.

Integriert ist eine Glasscheibe, die anders als beim Stuttgarter Vorbild mit transparenten Ornamenten und Elefantenfiguren überzogen ist. Beim Blick durch die Scheibe überlagert Pommerers Zeichnung vor die dahinter liegende Landschaft. Selten wird das einseitige Verhältnis von Kunst und Natur so deutlich wie anhand der Architektur „für“ Tiere, deren Gestaltung letztlich nur die Bühne für menschliche Wunschvorstellungen und Ordnungsprinzipien liefert.

 

Stefan Kern — Treppe (2003)

Stefan Kern, geb. 1966 in Hamburg, lebt in Hamburg

Auf subtile Weise stülpt sich bei Stefan Kern Kunst in den Alltag und vice versa. Sein Objekt, das sich über einen Graben am Rande einer Wiese spannt, erinnert an eine Treppe, Brücke oder Leiter und eignet sich als erhöhter Sitzplatz für zwei Personen. In seiner formal-symmetrischen Abstraktion erhält es jedoch autonomen skulpturalen Wert.

Elmgreen & Dragset – Park für unerwünschte Skulpturen (2003)

outlookElmdrag2

P1060683

Ingar Dragset geb. 1969 in Trondheim/N, lebt in Berlin
Michael Elmgreen geb. 1961 in Kopenhagen/DK, lebt in Berlin

Das Künstlerpaar Elmgreen & Dragset schafft mitten im Dorf Tewel einen Freiraum für Außenskulpturen, in dem die gängigen Entscheidungs- und Bewertungskriterien über Kunst im Öffentlichen Raum außer Kraft gesetzt sind. Künstler und Besitzer von Außenskulpturen, die aus den unterschiedlichsten Gründen keinen geeigneten Standort oder Lagerplatz zur Verfügung haben, können Werke zum „Park für unerwünschte Skulpturen“ beitragen.
Seither gibt es ein ständiges Kommen und Gehen. Arbeiten von Vito Acconci, Uwe Schloen, Gloria Zein, Ulla Nentwig und vielen Anderen haben vorübergehend Asyl im „Park für unerwünschte Skulpturen“ gefunden. 

Michael Asher – 53° 16’N 9° 57’O 52° 55’N 9° 8’O (2003)

sleeve_front2

Michael Asher, geb. 1943 – gest. 2012, lebte in Los Angeles/USA

Michael Asher beschäftigt sich mit dem Wasser-, Strom- und Gasversorgungsnetzwerk in und um Neuenkirchen. Das Set von technischen Plänen und Landkarten der entsprechenden Leitungs- und Verteilersysteme in abgestuften Maßstäben kann man im Springhornhof studieren oder als Schuber erwerben. Eine Broschüre erläutert alle fachspezifischen Zeichen und Symbole. Es geht um den Zugang zu Informationen, die Zirkulation von Energie und Netzwerke, die „unter“ der Oberfläche der Landschaft liegen.

Michael Asher gehörte zu den einflussreichsten Konzeptkünstlern in den USA. Mit „subtilen aber absichtlichen Interventionen – Ergänzungen, Änderungen oder Subtraktionen – insbesondere in und von Umgebungen“ untersuchte er Zusammenhänge von künstlerischer Bedeutung und musealem Kontext.

Asher nahm an der Documenta 5 und 7, der Biennale von Venedig (1976) und bei den Skulptur.Projekten in Münster 1977, 1987, 1997 und 2007 teil.  Er hatte wichtige Einzelausstellungen im Centre Pompidou in Paris (1991), im Los Angeles County Museum of Art (2003), im Art Institute of Chicago (2005) und im Santa Monica Museum of Art (2008). 2010 erhielt er den hoch dotierten Bucksbaum Award der Whitney Biennial.

Rupprecht Matthies — „ankommen“ & „bleiben“ (2003)

Neuenkirchen62

Rupprecht Matthies, geb. 1959 in Hamburg, lebt in Hamburg

Am Ortseingang begrüßt den Reisenden weithin sichtbar das Wort „ankommen“ als plastischer Schriftzug am Straßenrand. Bei der Fahrt aus Neuenkirchen hinaus, wirkt ein „bleiben“ vor der Kulisse eines kleinen Waldstücks wie ein vergeblicher Appell an den Weiter- bzw. Durchreisenden.
Matthies Wortobjekte funktionieren unweigerlich wie Kommentare zu ihrer Umgebung – mal zutreffend, mal widersprüchlich, mal mehrdeutig. Die Unmöglichkeit, das Wahrgenommene in eine endgültige Aussage zu bannen, erweist sich in vielfacher Hinsicht als produktiv.

Tony Cragg – Holzkristall (2000)

Tony Cragg, Holzkristall (2000)Tony Cragg, geb. 1949 in Liverpool, lebt in Wuppertal

Aus dem industriellen Holzwerkstoff »Kerto« wurden nach Zeichnungen des Künstlers 46 unterschiedliche Scheiben herausgesägt, die zu einem Turm übereinandergestapelt, verschraubt, geschliffen und lackiert, wie ein um sich selbst rotierendes menschliches Profil wirken. Eine frei stehende Arbeit, die sich beim Herumwandern ständig verändert, die umgangen und immer wieder neu entdeckt sein möchte.
Craggs Beitrag versteht sich als individuelle Transformation weiträumiger landschaftlicher Strukturen. Die Skulptur steht auf dem Gelände eines ehemaligen Freibads am Rande des Dorfes Tewel. Das Schwimmbecken ist heute ein Biotop, das Planschbecken ein Grillplatz. Über den Mehlandsbach hinweg blickt man in die Wiesen und Felder. Auch wenn die Skulptur formal eher Distanz zum Ort ihrer Präsentation sucht, ist die Entscheidung des Künstlers für diesen Platz aufschlußreich. An dieser Stelle des Übergangs von Dorf und Landschaft verschwimmen die Grenzen von geschaffener Natur und gewachsener Kulturlandschaft.
In seinen Arbeiten geht es Tony Cragg darum, in der Kunst Dinge hervor zu bringen, »die weder in der Natur noch in unserer funktionalen Welt existieren« (Cragg), die aber seine Empfindungen gegenüber der Welt und der eigenen Existenz widerspiegeln.

Nachtrag: Fünfzehn Jahre nach ihrer Errichtung hatten sich tiefe Spalten und Risse in der Holzstruktur der Skulptur gebildet. Nach einem langwierigen Trocknungsprozess konnte die Oberfläche wieder geschlossen und die Skulptur in Abstimmung mit dem Künstler neu beschichtet werden. Im Mai 2017 wurde die sanierte Skulptur bei einem Dorffest in Tewel willkommen geheissen.

Volker Lang — zwischen zwei Straßen (1997)

Volker Lang, geb. 1964 in Augsburg, lebt in Hamburg

Die Betonplatte eines ehemaligen Melkstands bildet das Fundament für Volker Langs Arbeit »zwischen zwei Straßen«. Nähert man sich der Arbeit von der nahegelegenen Dorfschaft Ilhorn aus, erkennt man aus der Ferne zunächst eine zusammenhängende Arkadenreihe. Sie scheint eine Unterbrechung in einem rechts und links anschließenden Knick auszufüllen. Erst von Nahem erschließt sich die mehrteilige Anlage in die Tiefe. Vier hölzerne Winkelformen stehen räumlich gegeneinander versetzt auf der Platte. Mit minimalen Mitteln deuten sie einen begehbaren Raum an, der sich gleichzeitig wieder zur Landschaft öffnet. Die variierenden Stärken und Abstände der Balken und die Höhe der Architrave folgen keinem streng mathematischen Schema. Die Maßverhältnisse der Anlage ergeben sich aus der Schrittlänge des Künstlers und vor allem aus den Proportionsverhältnissen der landschaftlichen Umgebung – dem Rhythmus der Bäume, dem Geländeverlauf, der Höhe des nahegelegenen Waldes.
Von Weitem erinnert die exakt in die Landschaft eingefügte Architektur an die antikisierenden Kolonnaden in einer gemalten Ideallandschaft des frühen 19. Jahrhunderts. Befindet man sich auf der Betonplatte, bilden die Tore den Rahmen für Blicke in unterschiedliche Landschaftsausschnitte. »Aus dem Gegenüber leitet sich für die Neuenkirchener Arbeit als neues Thema die gesehene Landschaft und die Geschichte der gesehenen Landschaft ab.« (O. Westheider)

Ulrich Eller – Hörstein (1995)

Ulrich Eller, Hörstein (1995)

Ulrich Eller, geb. 1953 in Leverkusen, lebt in Hannover

Auf dem Gelände des Schäferhofs, Heimat der Heidschnuckenherde und einer der touristischen Anziehungspunkte Neuenkirchens, platzierte Ulrich Eller seinen Findling. Erst in Hörweite gibt sich der Stein als künstlerischer Eingriff in der Landschaft zu erkennen.

Der Stein ist waagerecht in zwei Hälften geteilt, die mit Millimeterabstand wieder aufeinandergesetzt wurden. Aus dem umlaufenden Spalt dringen permanent scharrende, kratzende Geräusche. Sie entstanden während des Aufschneidens und Ausfräsens des Steins, wurden vom Künstler akustisch aufgezeichnet und zusammen mit anderen Alltagsgeräuschen elektronisch zu einer Komposition verarbeitet.
»Der mit Hilfe der Geräusche in die Zeit zurückgeholte Findling, der sonst alle Qualitätsmerkmale menschlicher Ewigkeitsvorstellungen besetzt, wird seines enormen Gewichts scheinbar entledigt, er wird ganz Gegenwart und damit jeglicher Wahrnehmungskonditionierung beraubt. In diesem Sinne wird er Naturdenkmal.« (Ulrich Eller)

Valerij Bugrov – Himmel und Erde (1991/2000)

130_3Valerij Bugrov,
geb. 1949 in Moskau, lebt in St. Petersburg

Als makelloser, kreisrunder Spiegel mit 16 Metern Durchmesser liegt »Himmel und Erde« inmitten der Felder. Ein schulterbreiter begehbarer Einschnitt führt leicht abfallend zum Mittelpunkt der reflektierenden Fläche. Hier, in der Erde stehend, über das Feld in die Weite schauend, erlebt man das Wechselspiel zwischen realem Himmel und widergespiegeltem Himmelsbild. Gleißendes Licht, dahinziehende Wolken und prasselnder Regen erzeugen den ständigen Wechsel der Erscheinung des Spiegels.
Der Betrachter erlebt sich und sein eigenes Spiegelbild in einer irritierenden Situation des Dazwischen, in der die vertrauten Abgrenzungen von Luft und Erde, Oben und Unten, Standfestigkeit und Schwerelosigkeit, Materialität und Immaterialität fragwürdig werden.

Micha Ullman — Waage (1990)

DSCN1954Micha Ullman,
geb. 1939 in Tel Aviv/Israel, lebt in Stuttgart und Israel

Auf einem kleinen Pfad durch das Unterholz gelangt man zur »Waage« von Micha Ullman. Die Arbeit inmitten einer kleinen Waldwiese ist erst erkennbar, wenn man unmittelbar davor steht.

Über einer quadratischen Bodenvertiefung mit nach innen schräg abfallenden Seitenwänden, lagern nebeneinander zwei gleich große rechteckige Stahlrahmen. Sie sind mit Erdreich gefüllt und von Wiesenvegetation überzogen. Als Sockel dient ebenfalls Erde, die in graues Vlies gehüllt ist. Die Grundfläche der Stahlrahmen ragt so weit über die Oberfläche der Erdsäcke hinaus, daß die beiden Plattformen über der Bodenvertiefung zu schweben scheinen.

Im Sommer gleicht das Grün des Grases die Konturen der Erdwannen und der Umgebung einander an. Bei Schnee zeichnen sich die rostroten Seitenwände scharf von der Umgebung ab. Nach starken Regenfällen, wenn die Erdvertiefung bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist, scheinen sie zu schwimmen.

Bei Errichtung der Arbeit befanden sich beide Rahmen auf gleicher Höhe mit der umgebenden Erdoberfläche. Seitdem haben sie sich durch ihr eigenes Gewicht leicht abgesenkt. Dieser Prozeß des Angleichens und Ablagerns im Laufe der Zeit ist ein Grundgedanke der Arbeit und verweist auf das labile Gleichgewicht in und mit der Natur.

Claus Bury – Der Augenblick (1989/2001)

Neuenkirchen60

Claus Bury,
geb. 1946 in Gelnhausen, lebt in Frankfurt

Am Rande eines kleinen Teiches unweit des Dorfes errichtete Claus Bury aus rohen Brettern eine durchschreit- und begehbare architektonische Skulptur – halb Haus, halb Turm. Wirkt der Bau von außen kompakt und klar gegliedert, erweist sich die Anlage beim Begehen als räumlich komplexes Gefüge. Gegenüberliegende Außentreppen führen von den Seiten hinauf zu einem Innenraum mit hohen, schrägen Wänden und ohne Dach.
Vom oberen Raum bietet sich kein bequemer Ausblick über den Teich und die Landschaft. Lediglich vom schmalen obersten Absatz zweier seitlicher Treppen kann man über die Brüstung sehen. Die Stufen laden vielmehr zum Sitzen und Verweilen im Inneren des Turmes ein. Hier entsteht ein Ort der Ruhe und Kontemplation, in dem der Blick nach innen gelenkt wird.

 

 

Horst Hellinger — Augenwaider (1988)

Horst Hellinger, Augenwaider (1988)Horst Hellinger,
geb. 1946 in Frontheim/Lübbecke, gest. 1999 in Hamburg

Hellinger setzte mit seinem leuchtend roten Pavillon den Ansatz der architektonischen Skulptur fort. Bei ihm hat die Farbe Signalcharakter. Durch die Lackierung ist der Bau aus Stahlplatten weithin sichtbar.
Der viergiebelige Zentralbau bietet dem Eintretenden keinen Schutz. Er umschließt kein Innen, sondern ist eine offene Struktur von gekreuzten Ein-, Aus- und Durchgängen. Die Außenhaut wurde durch mehrere Einschweißungen zusätzlich durchlöchert und aufgebrochen.
Die vier Achsen, die vom Mittelpunkt ausgehen, lenken den Blick des Betrachters auf verschiedene Landschaftsausschnitte und zu den umliegenden Ortschaften Neuenkirchen und Brochdorf.

Horst Lerche — Das blaue Haus (1987)


Horst Lerche, Das Blaue Haus (1987/2011)Horst Lerche,
geb. 1938 in Hamburg, lebt in Jüchen

»Das Blaue Haus« greift die traditionelle Fachwerkbauweise der Region auf. Gestrichen in der Farbe des Himmels und auf kleinen Stahlstäben vom Boden abgehoben erscheint die architektonische Skulptur offen und schwebend. Die blauen Gefache gewähren vielfältige Ein-, Aus- und Durchblicke auf die umgebende Vegetation. Je nach Jahreszeit ändert sich das Zusammenspiel von Licht und Farbe. Die Architektur wird in Malerei übersetzt – und umgekehrt.

Harald Finke — Dialog (1986)

Harald Finke,
geb. 1941 in Kiel, lebt in Hamburg

Die Hülle aus Eisenstäben ist gerade groß genug für einen Menschen. Man steht darin wie in einem hohlen Baum. Der eingeschränkte Blick fällt auf die Eiche gegenüber. Harald Finkes Beitrag „Dialog“ fordert zu etwas auf, das über die gewohnte menschliche Vorstellungskraft hinausgeht: Ein Zwiegespräch von Mensch und Pflanze.

ODIOUS — Be-Züge (1985)

 Gisela v. Bruchhausen, geb. 1940 • Klaus Duschat, geb. 1955 • Klaus H. Hartmann, geb. 1955 • Gustav Reinhard, geb. 1950 • Hartmut Stielow, geb. 1957 • David L. Thompson, geb. 1951

Die Mitglieder von ODIOUS (engl. widerwärtig) hatten sich bereits als Künstlergruppe formiert, arbeiteten jedoch bisher jeder für sich an Skulpturen, deren Material und Formenvokabular Industrieanlagen und Schrottplätzen entstammte. Für ihren Beitrag zum Projekt KUNST-LANDSCHAFT arbeiteten sie gemeinschaftlich an einer Installation, deren Bestandteile keiner Einzelperson zuzuweisen waren.
Die Künstler suchten sich keinen Platz in der Abgeschiedenheit intakter Natur, oder idyllischer Landschaft, sondern nahmen Bezug auf eine stillgelegte Bahnlinie am Ortsrand; Relikt der industriellen Erschließung der Landschaft.
Die mehrteilige Skulptur verweist formal und inhaltlich auf einen dynamischen Prozeß. Sie besteht aus kantigen Felsbrocken und Stahlelementen, die sich weder als assoziationslose Konstruktionen, noch als Industrieschrott eindeutig zuordnen lassen. Die Anordnung inmitten einer zirkelförmigen Wegeführung erinnert an eine Rangierscheibe. Der Weg endet an zwei Stahlplatten, zwischen denen ein schmaler Spalt den Blick auf einen frei stehenden Baum am anderen Ufer eines kleinen Sees freigibt.

Igael Tumarkin — Gleichtag (1983)

Igael Tumarkin,
geb. 1933 in Dresden, lebt in Tel Aviv/Israel

Das schräg aufgerichtete Antoniuskreuz aus Doppel-T-Trägern markiert weithin sichtbar eine Weggabelung in der Nähe von Brochdorf. Der aus Israel stammende Künstler Igael Tumarkin schuf für diesen Ort ein »Denkmal«, das die Symbolik verschiedener Kulturen zu einem Bedeutungsgeflecht verknüpft: Das Holz erinnert an die Opferung Isaaks. Mit bunten Bänder bringen Nomaden im Nahen Osten ihren Dank für einen guten Lagerplatz zum Ausdruck. Der Findling ist ein Sinnbild der Erdkugel. Das darüber pendelnde Lot erinnert an die Notwendigkeit des Gleichgewichts von Mensch und Natur. Eine Pflugschar mahnt die friedliche Nutzung der Erde an.
Der Titel der Skulptur »Gleichtag« stellt diese in einen übergeordneten, kosmischen Zusammenhang. An den beiden Sonnenwendtagen des Jahres fallen die ersten und letzten Sonnenstrahlen genau durch den Spalt zwischen den beiden Eisenträgern.

Anna Gudjónsdóttir — Sieben Ansichten von einer Wiese mit Pflaumenbaum (2003)

Anna Gudjónsdóttir,
geb. 1960 in Reykjavik, lebt in Hamburg

Auf einer baumbestandenen Wiese wurde der natürlichen Vegetation ein knorriger Pflaumenbaum aus Bronze hinzugefügt.
Der zweite Teil der Arbeit ist ein panoramaartiges Ölgemälde von dieser Szenerie, das sich auf dem Dachboden eines nahegelegenen Bauernhauses befindet. Für die Betrachter von Landschaft, „Baumimplantat“ und Malerei entsteht ein raffiniertes Wechselspiel von natürlichem Vorbild und künstlerischem Abbild.

Jean Clareboudt – Windberg (1981)

Jean Clareboudt, Windberg 1981
Jean Clareboudt, geb. 1944 in Lyon/Frankreich, gest. 1997

Windberg« lautet seit jeher der Name der nur 90 Meter hohen Endmoräne zwischen den Dörfern Ilhorn und Sprengel. In der flachen Gegend bot sich hier ein weiter Ausblick in die Landschaft.
Jean Clareboudt besetzt diesen Platz an seiner höchsten Stelle mit einem kreisförmigen Areal aus Findlingen. In der Mitte wurde eine gewaltige Ringscheibe aus rostigem Stahl leicht schräg auf drei größere Findlinge aufgesetzt. Formensprache und Material der Installation lassen an ein Observatorium, Schutzschild oder prähistorischen Kultplatz denken.
Diese Anhöhe, die zur Entstehungszeit des Objekts noch einen weiten Ausblick in die Umgebung ermöglichte, war für den Künstler einer jener Orte, »deren Topografie eine Herausforderung jenseits jeglicher nützlicher Aktivität bedeuten und die daher häufig spielerische und spirituelle Sehnsüchte in sich bergen und extrem damit belastet sind.«
Trotz seiner Monumentalität wirkt das Objekt nicht als Fremdkörper. Farbe und Wirkung von Stein und Metall verändern sich unter dem Einfluß von Tages- und Jahreszeiten. Klettert man über die Findlinge hinweg, gelangt man zu einem höhlenartigen Raum unter der Ringscheibe. Licht fällt durch die Öffnung. Auf das Metall prasseln Regen und Hagel; der Wind pfeift darüber hinweg.

Peter Könitz & Karl Ciesluk – Wege (1980/2003)

 

 

 

 

Peter Könitz, geb. 1942 in Mühlheim/Ruhr, lebt bei Hamburg
Karl Ciesluk, geb. 1952 in Ottawa/CDN, lebt in Ottawa/CDN

Könitz führt den Betrachter auf einer Trasse aus unregelmäßigen Holzbohlen und parallel zur Straße ausgerichteten Stahlträgern durch das Unterholz. Aus dem Kontrast von geometrischer Form und organischem Verlauf entsteht eine plastisch-räumliche Situation des Durchdringens und Unterlaufens.

Auf der anderen Straßenseite setzt Karl Ciesluk die Bewegungsrichtung mit seinen Findling fort. Als Verweis auf die gewaltigen Kräfte, die in der Eiszeit diese Landschaft geformt haben, scheint der Stein sich wie in einem Zeitraffer den Weg durch den Waldboden gebahnt zu haben.

 

Rolf Jörres — Steinfelder (1979)

Rolf Jörres, geb. 1933 in Essen, lebt in Düsseldorf

Rolf Jörres ließ auf etwa 2500 qm Ödland bei Holtmannshof zwölf Gruppen von je zwei bis drei großen Findlingen positionieren. Die unbearbeiteten Steine wurden nebeneinandergelegt, aneinandergelehnt oder aufeinandergestapelt. Ihre Anordnung erfolgte nach skulpturalen Gesichtspunkten und brachte Form und Materialität der Findlinge zueinander in Korrespondenz.
Die einzelnen Gruppen bilden jeweils in sich geschlossene plastische Einheiten. Als Gesamtensemble ergänzen sie sich zu einem behutsam in die Topografie und Vegetation der Ödlandfläche integrierten Environment. Die Landschaft wurde damit weder verfremdet noch überhöht, sondern neu geordnet. Als Künstler konzentrierte sich Rolf Jörres allein auf das Konzept und das Arrangement.
Die Findlinge entstammen der Natur, verbleiben in ihr und werden dennoch in den Kunstkontext überführt, »wobei es Jörres gelingt, genau diesen Moment des Übergangs zu fixieren, in dem beide Größen noch erkennbar (und damit in ihrem Zusammenhang reflektierbar), aber nicht mehr isolierbar sind.« (Jürgen Morschel)

Christiane Möbus – Der innere Kreis der äußeren Linie folgend (1977)

Christiane Möbus,
geb. 1942 in Celle, lebt in Hannover/Braunschweig

In einen an dieser Stelle vorgefundenen Findling meißelte die Künstlerin eine dünne Linie ein. Sie verläuft parallel zu einer vorhandenen Einkerbung, schließt sich jedoch zu einem umlaufenden Kreis. Christiane Möbus hinterlässt eine individuelle Spur, eine Zeichnung, die den natürlichen Formen der Landschaft folgt.

Timm Ulrichs – Ego-zentrischer Steinkreis (1977)

Timm Ulrichs,
geb. 1940 in Berlin, lebt in Hannover

Egozentrischer Steinkreis, bei llhorn, 1977/78

Egozentrischer Steinkreis, bei llhorn, 1977

Von einem festgelegten Standpunkt aus warf „Totalkünstler“ Timm Ulrichs Feldsteine unterschiedlicher Größe in alle Himmelsrichtungen. Wie weit sie flogen, hing von ihrem Gewicht ab. Ausdauer, Kraft und Körpergröße des Künstlers bedingten die Dimensionen der Arbeit.